Glockenklang von Campanile
als sie die wundervolle neue Nachricht hörte. Soll ich sie holen?”
“Ja, natürlich.”
Als Francesco gegangen war, hob sie ihren kleinen Sohn aus dem Bettchen. Zum ersten Mal seit Monaten fühlte sie sich wohl und stark. Sie ging hinüber zum Fenster, setzte sich in den Lehnstuhl, schaute hinaus in die Dunkelheit und die Lichter auf der anderen Seite des Canale Grande.
Ihr Baby in den Armen zu halten, erfüllte sie mit unbeschreiblichem Glück, und sie verstand, wie Giovanna zumute gewesen war. Dieses süße kleine Wesen zu verlieren, würde ihr das Herz brechen, und der Riss würde sich nie ganz schließen, egal, wie viele Kinder hinterher noch folgten.
“Du hast Glück, in eine solche Familie hineingeboren zu werden”, flüsterte sie ihrem Kleinen zu. “Da sind Ruggiero und Giuseppe, Benito und Enrico, und Wenda und Lin Soo, und all deine Cousinen und Cousins. Dir wird niemals etwas Böses geschehen, denn alle werden überall auf dich achten. Dafür ist die Familie da.”
Francesco erschien wieder. Er schob Giovanna in einem Rollstuhl herein. Tomaso folgte ihnen auf den Fersen. Die Freude hatte Francescos Mutter völlig verwandelt, und zum ersten Mal schenkte sie Sonia ein herzliches, aufrichtiges Lächeln.
“Komm, ich möchte dir dein jüngstes Enkelkind vorstellen”, lud Sonia sie mit einem Lächeln ein.
Francesco fuhr seine Mutter dicht an Sonia heran. Sonia beugte sich vor, damit Giovanna den Jungen richtig betrachten konnte. Giovanna schaute in das Gesichtchen des neuen Erdenbürgers, dann hob sie den Kopf und blickte ihrer Schwiegertochter in die Augen.
“Danke … Maria”, sagte sie leise.
Und es machte Sonia überhaupt nichts mehr aus, so genannt zu werden. Denn nun wusste sie alles, was Giovanna ihr aus Stolz nicht hatte erzählen können. Außerdem, so kurz vor Weihnachten Maria genannt zu werden, war eine besondere Ehre.
“Du hattest recht”, sagte sie mit gesenkter Stimme zu Giovanna, sodass nur diese sie hören konnte. “Es ändert wirklich alles.”
Francesco, der nichts verstanden hatte, schaute stirnrunzelnd von einer zur anderen, entspannte sich aber, als seine Mutter lächelte.
Von draußen drang fröhliches Stimmengewirr herein.
“Das ist die Heiligabendprozession”, erklärte Francesco.
Noch immer das Baby im Arm, stand Sonia auf und schaute hinaus. Auf dem Kanal glitten kerzengeschmückte Gondeln über das Wasser. Francesco, der hinter Sonia stand, legte die Arme um sie und ihr Kind. In der dunklen Scheibe spiegelte sich ihr Bild wieder.
Und im Fenster sah sie auch, wie Ruggiero das Zimmer betrat, zusammen mit Wenda, Giuseppe und Lin Soo und ihren Kindern. Ihnen folgte ein weiterer Bruder mit Frau, ein Neffe, Onkel, Tante, bis der ganze Bartini-Clan da war und sich im Korridor staute. Alle wollten unbedingt das neue Familienmitglied bestaunen.
“Sag ihnen, sie sollen zu uns kommen”, bat Sonia Francesco.
Er winkte seine Familie heran. Lächelnd sah sie im Fenster, wie sie eintraten, einer nach dem anderen, bis sie alle im Zimmer standen. Ihre Gesichter strahlten vor Freude. Sonia seufzte glücklich. Es hatte lange gedauert, aber endlich besaß sie eine eigene Familie.
Die ganze Welt schien versammelt und barg in ihrem Herzen das Symbol für Frieden, Liebe, Hoffnung: ein Mann, eine Frau und ihr neugeborenes Kind.
– ENDE –
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