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Glück, ich sehe dich anders

Glück, ich sehe dich anders

Titel: Glück, ich sehe dich anders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Ahrens
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Bilder gemalt, und mir kommt über Nacht die Idee, von ihren Malwerken Lesezeichen und Postkarten zu gestalten. Mit Liebe und Handarbeit gestalte ich mit Hilfe von Sabine – einer Freundin aus der Bilderdiele im Nachbarort – wunderschöne Lesezeichen und Postkarten, die reißenden Absatz bei Verlagshäusern, Buchhandlungen, Kindergärten, Schulen und Privatpersonen finden. Da gibt es diesen Feuervogel, den Louise einmal während ihrer unzähligen Krankenhausaufenthalte gemalt hat. Und es gibt dieses wunderschöne Bild mit der strahlenden Sonne, den Blumen und den Wolken darauf. Der Kupferkäfer mit der kleinen Schnauze, der Regenbogen mit dem kleinen Männchen darunter und das schöne Herz. Als ich die Bilder länger betrachte, fällt mir auf, dass diese Bilder genau zu Louise passen. Hat sie sich ihre Zukunft und das Geschehen im wahrsten Sinne des Wortes ausgemalt? Hat sie gewusst, was mit ihr passieren wird? Da ist der Sonnenschein, den sie überall verbreitet hat, aber das Herz, das hat Tränen, türkisfarbene Tropfen glänzen darin. Es ist auch ein Sonnenstrahl zu sehen, der aber nicht im Herzen scheint, sondern nur außerhalb. Er gelangt nicht hinein in das Herz. Da ist der Käfer, der sich kaum auf den Beinen halten kann, und hier der Regenbogen, unter dem das Männchen umgefallen ist. Ist Louise das Männchen? Der Regenbogen war über der Kapelle, als wir Louise das letzte Mal besucht haben. Nun sehe ich den Regenbogen neu. Er strahlt Ruhe aus, und das Männchen ist geborgen unter dem Regenbogen. Und dann ist da der Vogel, der wie über Flammen aufsteigt und wild mit den Flügeln flattert. Könnte das der Abschied von Louise und der Neuanfang als ein anderes Wesen im Krematorium sein? Die Bilder machen mich glücklich. Auch wenn ich mir diese Zeichen einbilden mag. Sie bedeuten mir sehr viel. Sie machen mich für einen Moment glücklich. Aus dem Malprojekt entsteht eine großartige Sache. Ich nehme mir vor, mit anderen behinderten und kranken Kindern zu malen und von den Kunstwerken Lesezeichen und Postkarten zu entwerfen. Ich habe eine Aufgabe. Es entstehen wunderschöne Werke, und die Kinder und diese neue Aufgabe geben mir Kraft und etwas Ablenkung. Louise lebt in diesem Projekt weiter. Das ist ein schöner Trost. Und Louise ist mir ganz nah.
    Zu Louises Jahrestag – dem ersten Todestag – und ihrem darauf folgenden siebten Geburtstag schmücken wir ihren kleinen Garten auf dem Friedhof in Tellingstedt ganz besonders schön. Ein großes Herz aus vielen Sonnenblumen ziert das Grab. Viele Blumensträuße stellen wir hin und zünden Kerzen in Laternen an. Dann bauen wir ihre Geburtstagseisenbahn mit der Holzlok und den Anhängern auf, die Buchstabe für Buchstabe ihren Namen führt. Sieben Anhänger mit sieben Kerzen darauf. Die Holzwaggons zieren den aus Steinen gelegten Weg zu dem kleinen Steinbuch, auf dem Louises Name sowie das Geburts- und das Sterbejahr stehen. Das Anzünden der ersten sechs Kerzen geht schnell. Windstille bei dreißig Grad. Nur die siebte Kerze will nicht zünden. Eigenartig. Ein kleiner Windhauch verhindert, dass diese siebte Kerze brennt. Nur mit viel Mühe und nur für einen kleinen Moment schaffe ich es, sie zum Leuchten zu bringen.
    Schließlich stehen wir – Rolf, Loreen und ich – vor Louises Garten. Wie ein Meisterwerk sieht er aus. Wahrscheinlich denkt dies auch Loreen. Denn auf einmal fasst sie uns an die Hände und sagt: »So, und nun das hier!« Und dann beugt sie ihren Oberkörper vor und verneigt sich vor dem Grab ihrer Schwester. Dann fordert sie uns auf, dass wir das auch machen sollen. Wie nach einem Theaterstück stehen wir dort und beugen unsere Oberkörper vor. Wir verneigen uns vor Louise. Danach klatscht Loreen wild in die Hände. Applaus.
    Wir erhalten einen lieben Brief von Marita Hoy.
    Meine liehe Louise!
Jetzt sitze ich hier und versuche, meine Gedanken in Worte zu fassen. Noch weiß ich nicht, ob es mir so recht wird gelingen. Ich gehe zurück, ein ganzes Jahr, zu der Zeit, wo alles noch offen war. Dein Leben von Hoffnung durchdrungen, egal, wie schlecht es dir ging, es ist dir gelungen, die Menschen zu verzaubern, mit Charme und Liebe, ach, wär es doch noch und bliebe.
    Doch gelernt haben wir von dir fürs Leben, keiner hat mich seither mit so viel Weisheit umgeben. Gott gab dir dein Anderssein, mit einem Herzen, wirklich rein. Und nur die Menschen, die Hand in Hand mit dir durften gehen, konnten auch deine wahre Schönheit sehen. Diese Schönheit

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