Glück muß man haben
vorgekommen. Sogar der Schluckauf war verschwunden.
Er könne das nicht glauben, sagte Theo endlich. Ob ihn der Fahrer vielleicht auf den Arm nehmen wolle?
»Keineswegs«, versicherte ihm dieser. »Wie käme ich dazu?«
Wenig später stoppte er den Wagen. Das Ziel, das ihm Theodor bei Antritt der Fahrt genannt hatte, war erreicht. Noch stieg aber Theodor nicht aus. Das Gespräch hier schien einige Fragen aufgeworfen zu haben, deren Klärung unumgänglich war.
»Sind Sie verheiratet?« lautete die erste.
»Ja.«
»Streng?«
»Wieso?«
»Weil ich annehme, daß da ihre Frau dahintersteckt. Bestimmt sie auch das Fernsehprogramm?«
Den Taxifahrer amüsierte dieses Verhör. Er grinste unentwegt.
»Wieso?« fragte er noch einmal.
»Weil ich einen Fall kenne, bei dem die Ehefrau keinerlei Sportübertragung zuläßt.«
»Die meine hat da nichts dagegen.«
»Und trotzdem interessiert Sie Fußball nicht? Trotzdem ist es Ihnen egal, ob Schalke gewinnt oder verliert?«
»Ja.«
»Das verstehe ich nicht«, sagte Theo kopfschüttelnd. »Mir schmeckt das Essen und Trinken nicht mehr, wenn Schalke mal verloren hat.«
»Mir schon. Immer.«
Theo fing an, sich zu ärgern.
»Wissen Sie, an was Sie mich erinnern?«
»An was?«
»An einen Witz, den ich einmal in München gehört habe. Da sitzen zwei im Hofbräuhaus, ein Einheimischer und ein Chinese, der aber perfekt Deutsch kann, weiß der Teufel woher. Der Münchner ißt dreimal und trinkt nacheinander zehn Maß Bier. Der Chinese ißt einmal, trinkt eine Maß und sieht dann nur noch fassungslos dem Münchner zu, bis er das nicht mehr aushält und fragt: ›Sie können wohl immer essen und trinken? Nichts kann Ihnen das verleiden. Wir Chinesen haben andere Mentalität. Wir müssen zum Speisen in Stimmung sein. Vor allem hören wir auf zu essen, wenn unser Hunger gestillt ist, und zu trinken, wenn unser Durst gelöscht ist.‹ Darauf der Münchner: ›Wie die Tiere.‹«
Der Taxichauffeur lachte schallend, er schlug sich auf die Schenkel.
»Über wen lachen Sie?« fragte ihn Theo mit unbewegter Miene. »Über den Münchner oder über den Chinesen?«
»Über den Chinesen natürlich.«
»Falsch! Den Hohn verdient nicht der. Denken Sie einmal darüber nach.«
Theo zog seine Geldbörse aus der Tasche.
»Wieviel bekommen Sie?«
»Neun Mark.«
Das war um 3,80 DM zuviel und machte etwa den Prozentsatz der Unehrlichkeit aus, den der Taxichauffeur mit dem Grad der Betrunkenheit seines Fahrgastes in Einklang bringen zu können glaubte. Oft ließ er besoffene Schalke-Fans noch weit empfindlicher zur Ader.
Die ›Sonnenblume‹ lag in völliger Dunkelheit da; in keinem Fenster zeigte sich noch Licht. Alles schlief also schon, und der späte Heimkehrer Theodor war deshalb bemüht, unnötigen Lärm zu vermeiden, als er dem ehelichen Schlafzimmer zustrebte. Um Lautlosigkeit sind in solchen Situationen alle Männer bemüht – und alle scheitern. Da sie kein Licht machen, stoßen sie an Stühle, stolpern auf Treppen und bleiben an Teppichen hängen.
Auch Sabine Berger war es gewöhnt, aus dem Schlaf gerissen zu werden.
»Mach dir doch Licht«, sagte sie mit klarer Stimme, als sie Theodor im Finstern rumoren hörte.
»Nein.«
»Warum nicht?«
»Ich will nicht, daß du wach wirst.«
»Das bin ich doch schon.«
»Wieso denn, frage ich dich.«
Darauf zu antworten, hätte zu nichts geführt, deshalb sagte Sabine: »Ihr habt mich heute den ganzen Abend alleingelassen.«
Theodor ertastete den Lichtschalter, und es wurde hell im Schlafzimmer. Geblendet schloß Sabine ihre Augen.
Theodor setzte sich aufs Bett und begann, sich die Schuhe auszuziehen. Dabei mußte er sich vorsehen, daß er nicht nach vorn überkippte. Während seiner Bemühungen hielt er das Gespräch mit seiner Gattin aufrecht. Seine Stimme klang dabei dumpf, da er sich mit dem Kopf meistens unterhalb des Bettrandes befand.
»Hast du so einen schon gesehen?« fragte er.
»Was für einen?« antwortete Sabine ohne besonderes Interesse.
»Einen Taxichauffeur, der nicht zum Fußballplatz gehen darf.«
»Wieso darf er nicht?«
»Weil ihm seine Alte das verbietet.« Theo ächzte, teils aus Empörung über dieses ihm unbekannte Weibsbild, teils weil ihm das Ausziehen der Schuhe Schwierigkeiten entgegensetzte. Er fuhr fort: »Das hat er zwar abgestritten, aber das tun ja alle Pantoffelhelden, weil sie sich schämen. Fernsehen läßt sie ihn auch nicht.«
Er ließ von seinem Schuh ab, richtete sich auf, drehte
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