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Glückliche Ehe

Glückliche Ehe

Titel: Glückliche Ehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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sie das Poltern gehört hatte. Er hoffte, dass sie wach war und ihm helfen konnte. Er konnte die Wanduhr in der Küche sehen. Es war erst 0 Uhr 45, vielleicht war sie ja noch nicht im Bett.
    Keine Antwort. Er musste schnell wieder zu Margaret. Er rappelte sich auf. Sein Rücken und der rechte Oberschenkel schmerzten. Das Bein war so berührungsempfindlich, dasser sich fragte, ob doch etwas gebrochen war, aber er konnte gehen, gelangte problemlos in den Gang bei den Schlafzimmern der Jungen. Bei Rebecca war kein Licht. Er öffnete die quietschende Wäscheschranktür so leise wie möglich, nahm zwei Sets Spann- und Decklaken heraus. Frühere Erfahrungen mit Margarets Infektionen hatten ihn Voraussicht gelehrt. Wenn ein Malheur passierte, blieb es wahrscheinlich nicht bei dem einen.
    Es wunderte ihn nicht, dass da überhaupt noch etwas aus ihr herauskommen konnte, wo sie doch schon seit Februar keine Nahrung mehr verdaut hatte. Dieses Rätsel hatte vor Monaten einer von Margarets Ärzten gelüftet. Die Darmschleimhaut wurde alle paar Tage abgestoßen, und außerdem konnten kleine Nahrungspartikel an der Magendrainage vorbei in den blockierten Darmtrakt gelangen. Die ganze letzte Woche hatte sie all ihre Lieblingsspeisen gekaut und geschluckt. Aus der Küche holte er zwei Müllsäcke, zwei Rollen Küchenpapier und noch eine Packung Feuchttücher. Mit schmerzendem Bein und Rücken trug er alles nach oben.
    Margaret mühte sich immer noch, dem Geruch und dem klebrigen Zeug zu entkommen. Er machte alle Lampen an, um sehen zu können, was er zu tun hatte. Ihre Augen blieben geschlossen. »Margaret, ich ziehe jetzt das Bett ab und mache dich sauber, okay? Du kannst nicht aus dem Bett, verstehst du?«
    Keine Reaktion. Er streifte Latexhandschuhe über. Zog ihr Slip und T-Shirt aus. Sie gab Laute von sich, reagierte aber ansonsten immer noch nicht. Bestürzt stellte er fest, dass fast ihr ganzes Gesäß und der untere Rücken verklebt waren, daher fühlte sie sich, als könnte sie nicht entkommen. »Margaret, die Feuchttücher sind vielleicht etwas kalt auf der Haut. Tut mir leid, aber –« Doch, es gab eine Alternative. »Warte«, sagte er überflüssigerweise, da sie ja nicht auf ihn reagierte. Er rannte ins Bad, fand zwei Waschlappen,tränkte sie im Waschbecken mit warmem Wasser und spähte dabei immer wieder zu ihr hinüber. Sie schien gefährlich nah an der Bettkante zur Fensterseite hin zu liegen. Er rannte wieder zu ihr.
    Die warmen Waschlappen machten ihr gar nichts aus. Aber sie kamen gegen den angetrockneten Kot nicht an. Er musste die Feuchttücher benutzen. Er behielt sie kurz in der Hand, um sie anzuwärmen. Selbst durch die Latexhandschuhe fühlten sie sich immer noch kalt an. Margaret bewegte sich, wenn sie ihre Haut berührten, und gab helle Laute von sich, war aber nicht bei Bewusstsein. Ihre Abwesenheit deprimierte ihn mindestens ebenso wie der Geruch, der Dreck und die Entwürdigung, die diesem von ihm so geliebten Körper widerfuhr. Warum machte es ihr diese Krankheit so grausam schwer? »Sie ist besiegt«, sagte er laut, als ob der Krebs in der Tür stände und befriedigt sein Werk betrachtete. »Lass sie in Frieden.«
    Als er sie gewaschen hatte, rollte er das Spannlaken von einer Seite auf, bis an sie heran, und bugsierte sie dann behutsam auf die Matratzenauflage. Er nahm das beschmutzte Laken ab und prüfte, ob die Auflage auch etwas abbekommen hatte. Zum Glück nicht. Er zog das Spannlaken bis zur Hälfte über die Matratze, wälzte sie darauf und zog das Laken dann über die andere Hälfte der Matratze. Er inspizierte sie noch einmal – sie schien wieder bewusstlos –, fand noch zwei Flecken, die er übersehen hatte, wusch sie ab und zog ihr dann einen frischen Slip und ein frisches T-Shirt an. Letzteres war ziemlich schwierig, und es dauerte eine Weile, bis er ihren Kopf durch den Halsausschnitt bekam. Selbst diese ungeschickten Manöver schienen sie nicht zu stören. Er inspizierte die Bettdecke, sah, dass sie an einer Ecke beschmutzt war, fluchte und stellte dann fest, dass die andere Decke sauber war. Sie zitterte nicht, also würde eine Decke wohl reichen. Als er ein frischgewaschenes Decklaken unddie saubere Decke über sie breitete und sie auf die Stirn küsste, fühlte er sich zutiefst befriedigt und erleichtert. Sie lag jetzt ruhig da. Er hatte es in Ordnung gebracht. Er hatte ihre stumme Verzweiflung verstanden und ihr geholfen.
    Das gute Gefühl hielt nicht lange an. Er war erschöpft,

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