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Glückliche Ehe

Glückliche Ehe

Titel: Glückliche Ehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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dieser ekelerregenden Flüssigkeit befand sich in einem seitlich an ihrem Bett hängenden Beutel, dicht bei Enriques Fuß, der wie ein Metronom schwang – Enrique wollte auf keinen Fall einschlafen. In der Nähe seines anderen Fußes stand ein Tropfständer mit einer Pumpe, die gestern Abend abgehängt und beiseitegeschoben worden war. Ihre Aufgabe war es, Margarets nutzlosen Magen zu umgehen und einen beigefarbenen Brei, einen leichtverdaulichen Nahrungsersatz, gar nicht so anders als die Säuglingsnahrung, die sie ihren Söhnen gegeben hatten, über einen zweiten Schlauch in Margarets Dünndarm zu pressen. Dieser Schlauch, den vor zehn Tagen ein anderer Arzt, ein sich ständig entschuldigender, rotbackiger Chirurg, gelegt hatte, hörte auf eine verwirrend ähnliche Abkürzung, PEJ, wobei das J für Jejunostomie stand. Er diente der Ernährung direkt über den Darm.
    Die letzten drei Nächte hatte Margarets Ärzte- und Schwesternteam versucht, sie per PEJ zu ernähren, wobei sie um Mitternacht damit begonnen hatten, um dem Plan nach die Prozedur bis sechs Uhr fortzusetzen. Doch in allen drei Nächten hatte es nicht geklappt. Beim ersten Versuch gaben sie um fünf Uhr morgens auf, beim zweiten um 3 Uhr 30, und letzte Nacht hatte es so gut wie überhaupt nicht funktioniert. Kurz nach ein Uhr war Enrique davon aufgewacht, dass Margaret kraftlos und panisch seinenNamen gerufen hatte. Er hatte die Schwester rufen müssen, um die Pumpe abzustellen, da der feine Brei Margaret bis in den Rachen emporgestiegen war und sie das schreckliche Gefühl hatte, an einer Mahlzeit zu ersticken, die sie nie geschluckt hatte.
    Dass Margaret damals im Januar nicht verhungert war – jetzt war Juni –, verdankte sich einem System namens PE, parenterale Ernährung. Dabei wurden sämtliche Nährstoffe intravenös zugeführt, indem der Verdauungstrakt komplett umgangen wurde. Man verabreichte die nötigen Fette, Eiweißstoffe und Vitamine durch einen Port im oberen Brustbereich, damit sie dann über den Blutkreislauf resorbiert wurden. Das Krankenhauspersonal hatte Enrique beigebracht, den Port zu reinigen, die Flüssigkeit anzumischen und an die Pumpe anzuhängen. Dank dieser Schulung hatte Enrique Margaret zu Hause pflegen können.
    Als sie damit begannen, war es kalt und winterlich gewesen, und Margaret hatte ein bisschen mehr als einundfünfzig Kilo gewogen. Die PE hatte sie bis in die Juniwärme am Leben erhalten, aber Leben konnte man das nur bedingt nennen. Sie bekam mit der parenteralen Ernährung kaum Energie, aber selbst wenn, hätte sie damit gar nichts anfangen können. Die säuerlich riechende, milchige Brühe musste zwölf Stunden täglich fließen. Die Prozedur begann abends um zehn, schränkte die Abendgestaltung erheblich ein und nahm auch noch den ganzen Morgen in Anspruch. Und auch die eigentliche Aufgabe erfüllte dieses Ernährungssystem nicht – wie Margarets derzeitiges Gewicht von sechsundvierzig Kilo bezeugte.
    Das allmähliche Versiegen ihrer Lebenskraft machte Max seinem Vater auf schmerzliche Weise bewusst – Max, der seit September wusste, dass seine Mutter als unheilbar krank galt und nur dann eine Chance hatte, noch länger als neun Monate zu leben, wenn sie auf in der Erprobung befindlicheMedikamente anspräche, deren Wirksamkeit nicht erwiesen war. Genau wie sein älterer Bruder Gregory teilte Max die Faktenliebe seiner Mutter. Im April stellte er das mal wieder unter Beweis. Margaret war wegen einer Infektion im Krankenhaus. Max besuchte sie nach der Schule und lag eine Stunde still neben ihr in einem Sloan-Kettering-Bett. Als Enrique ihn zum Aufzug brachte, fragte Max: »Machen sie irgendwas wegen Moms Gewicht?«
    In dem milden, beruhigenden Ton, den er beizubehalten suchte, auch wenn das, was er zu sagen hatte, oft weder milde noch beruhigend war, erklärte Enrique, dass sie ihre PE-Kalorien ab jetzt heraufsetzen würden. Max unterbrach ihn und sah ihn mit großen blauen Augen an. »Gut«, erklärte er. »Weil ihre Fettpolster nämlich weg sind.«
    Enrique hatte keine Ahnung, was Max meinte. Margarets Krebs hatte ihn gelehrt, dass Vermutungen und Interpretationen leicht in die Irre führen konnten und es immer ratsam war nachzufragen, also fragte er seinen Jüngsten, was er genau meine. »Fettpolster, Dad, so wie hier.« Max packte eine Speckrolle im unteren Rückenbereich seines Vaters, von deren Existenz Enrique gar nichts gewusst hatte. »Ihre sind weg«, sagte sein Sohn stirnrunzelnd.
    »Na ja, sie

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