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Glücksfall

Glücksfall

Titel: Glücksfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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Teil eines Syndroms. Die Generation Bumerang. Erwachsene Kinder, die wieder bei ihren Eltern einziehen. Ich habe davon in Grazia gelesen.«
    Gegen Grazia konnte man schlecht etwas einwenden.
    »Ein paar Tage kannst du bleiben«, willigte Mum schließlich ein. »Aber ich warne dich. Vielleicht verkaufen wir das Haus und machen eine Kreuzfahrt in der Karibik.«
    In Anbetracht der niedrigen Immobilienpreise würde der Erlös für das Haus wahrscheinlich nicht einmal für eine Kreuzfahrt zu den Aran-Inseln reichen. Aber als ich zum Auto ging, um meine Sachen zu holen, beschloss ich, ihnen ihre Illusionen nicht zu zerstören. Schließlich gewährten sie mir ein Dach über dem Kopf.
    »Wann gibt es Abendessen?« Nicht dass ich Hunger hatte, aber ich wollte mich mit den Abläufen vertraut machen.
    »Abendessen?«
    Es gab kein Abendessen. »Wir kochen eigentlich nicht mehr«, gestand Mum. »Jetzt, wo wir nur noch zu zweit sind.«
    Das waren bedrückende Neuigkeiten. Mir ging es so schon schlecht genug, da fehlte es noch, dass meine Eltern sich plötzlich so aufführten, als säßen sie im Wartezimmer des Todes. »Aber was nehmt ihr dann zu euch?«
    Sie sahen sich überrascht an, dann wanderten ihre Blicke zu dem Kuchen vor ihnen. »Na ja, Kuchen, oder?«
    Zu einer anderen Zeit wäre mir das gerade recht gewesen – in meiner Kindheit hatten meine Schwestern und ich es als hochriskant erachtet, etwas zu essen, das Mum gekocht hatte –, aber jetzt war ich in keiner sehr guten Verfassung.
    »Und wann gibt es den Kuchen?«
    »Jederzeit, wann immer du möchtest.«
    Das ging überhaupt nicht. »Ich brauche eine feste Zeit.«
    »Also, um sieben.«
    »In Ordnung. Übrigens … über der Tankstelle habe ich einen Schwarm Geier gesehen.«
    Mum verzog die Lippen zu einem dünnen Strich.
    »In Irland gibt es keine Geier«, sagte Dad. »Der heilige Patrick hat sie vertrieben.«
    »Da hat er recht«, sagte Mum mit Nachdruck. »Es waren keine Geier.«
    »Aber …« Ich sprach nicht weiter. Wozu auch? Ich machte den Mund auf und schnappte nach Luft.
    »Was machst du?« Mum klang besorgt.
    »Ich …« Ich wusste es selbst nicht. »Ich versuche zu atmen. Meine Brust ist so eng. Es ist kein Platz für die Luft da.«
    »Natürlich ist da Platz. Atmen ist die natürlichste Sache der Welt.«
    »Ich glaube, meine Rippen sind zusammengeschrumpft. Wie wenn man alt wird und die Knochen schrumpfen.«
    »Du bist dreiunddreißig. Warte, bis du so alt bist wie ich, dann kannst du über geschrumpfte Knochen reden.«
    Obwohl ich nicht wusste, wie alt Mum wirklich war – sie log ständig darüber und erzählte die unwahrscheinlichsten Geschichten, manchmal erwähnte sie die wichtige Rolle, die sie bei dem Aufstand von 1916 gespielt hatte (»Ich habe geholfen, die Unabhängigkeitserklärung zu tippen, die der junge Padraig auf den Stufen des Postamts verlesen hat«), dann wieder schwärmte sie von ihrer Jugend, in der sie zu den Klängen von »The Hucklebuck« getanzt hatte, als Elvis in Irland war (Elvis war nie in Irland, und er hat auch nicht »The Hucklebuck« gesungen, aber wenn man ihr das sagte, wurde es nur schlimmer, und sie beharrte darauf, dass Elvis auf seinem Weg nach Deutschland einen geheimen Besuch in Irland gemacht und den Song speziell auf ihren Wunsch hin gesungen hatte) –, schien sie mir so groß und kräftig wie schon immer.
    »Atme tief ein, mach schon, jetzt mach, das kann doch jeder«, drängte sie mich. »Jedes Kind kann das. Was hast du heute Abend vor? Nach dem … Kuchen? Sollen wir fernsehen? Wir haben neunundzwanzig Folgen von Come Dine With Me aufgenommen.«
    »Ah …« Ich wollte Come Dine With Me nicht sehen. Normalerweise sah ich mir zwei Fernsehshows am Tag an, aber plötzlich war ich sie leid.
    Bei Artie hatte ich eine offene Einladung. Seine Kinder würden da sein, und ich war mir nicht sicher, dass ich die Kraft hatte, mit ihnen zu sprechen, außerdem verhinderte ihre Anwesenheit meinen freien, umfassenden sexuellen Zugang zu ihm. Aber er hatte die ganze Woche in Belfast gearbeitet, und ich … ja, warum es nicht zugeben? … ich vermisste ihn.
    »Wahrscheinlich gehe ich zu Artie«, sagte ich.
    Mums Gesicht hellte sich auf. »Kann ich mitkommen?«
    »Auf keinen Fall! Ich habe dich gewarnt!«
    Mum war überaus angetan von Arties Haus – man kennt den Typ, wenn man Zeitschriften für Einrichtung und Design liest: Von außen wirkt es wie ein bodenständiges Arbeiterhaus, das direkt am Gehweg steht und aussieht, als

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