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Glückskekssommer: Roman (German Edition)

Glückskekssommer: Roman (German Edition)

Titel: Glückskekssommer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Hohlfeld
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Annemarie habe ich nämlich keine Lust mehr. Bevor meine Kollegin weiterorakeln kann, kommt zum Glück die Chefin in die Werkstatt. Die Köpfe ihrer Angestellten senken sich hastig über die Nähmaschinen.
    »Seit Rosa das Kleid für Eva Andrees genäht hat, ist sie so eingebildet«, höre ich Nora zischen.
    Annemarie nickt. »Sie denkt, sie ist was Besseres.«
    Das finde ich jetzt ziemlich gemein, denn ich kann überhaupt nichts dafür, dass ich als Schneiderlehrling im dritten Lehrjahr ein Kleid für eine berühmte Schauspielerin machen darf. Ich habe mich kein bisschen darum gerissen. Es hat sich so ergeben und war echt Schicks…, ich meine Zufall.
    Eva Andrees wohnt gleich um die Ecke. Wilmersdorf ist ein beliebter Stadtbezirk, und sie ist nicht die einzige Prominente, die hier eine der todschicken Altbauetagen gekauft hat. In unserer Schneiderei gehen die Promis ein und aus, sozusagen. Schließlich müssen die auch mal eine Hose kürzen lassen oder einen Rock enger machen.
    Frau Senner sammelt ihre Autogramme. Sie lässt sich persönliche Widmungen darauf schreiben und hängt die Fotos im Laden aus. Ihre Sammlung ist schon ziemlich stattlich.
     
    Die Andrees stand also vor drei Monaten im Geschäft. Sie hatte irgendeine Reparatur in Auftrag gegeben. Wie immer, wenn ein Promi unseren Laden betritt, ließ die Chefin die Tür zur Werkstatt offen, damit wir ein bisschen gucken können. Aber an diesem Tag guckten wir nicht raus, sondern die Andrees rein. Und was sie sah, war mein Gesellenstück, an dem ich seit ein paar Wochen eifrig arbeitete – ein schulterfreies Abendkleid aus taubenblauer, zarter Maulbeerseide (edleren Stoff gibt’s nicht) mit üppigen Volants am bodenlangen, über dem Knie geschlitzten Rock. Ich hatte es gerade auf die Schneiderpuppe gezogen und steckte den Saum ab, als plötzlich die Andrees mit verklärtem Gesichtsausdruck neben mir stand.
    »Dieses Kleid ist mein wahr gewordener Traum«, hauchte sie und berührte ehrfürchtig den edlen Stoff. »Du nähst es fertig, und dann werde ich es kaufen.«
    Ich starrte sie ungläubig an und konnte vor Überraschung kein Wort herausbringen.
    Als sei sie aus dem Boden gewachsen, erschien mit einem Mal die Meisterin neben uns. Da sie offensichtlich der Meinung war, das Gespräch über meine Arbeit ginge mich nichts an, führte sie die Schauspielerin von mir weg. Ich spitzte die Ohren.
    »Es ist doch nur ein Gesellenstück«, hörte ich sie sagen. »Wir können Ihnen gern ein richtiges Kleid nach Ihren Wünschen anfertigen.«
    Ich war ein bisschen enttäuscht, denn bisher hatte ich angenommen, dass sie stolz auf mein wunderschönes Kleid sei. Immerhin hatte ich alles, was ich konnte, in ihrer Werkstatt gelernt. Zu meinem Glück ließ die Andrees sich auf keinerlei Verhandlungen ein. Schließlich weiß eine waschechte Diva ganz genau, was sie will.
    »Danke, aber ich habe bereits ein Kleid ausgewählt und das ist dieses dort. Wenn Ihnen allerdings nicht recht ist, dass ich es auf der Berliner Filmnacht trage, bei der ich einen Preis für mein Lebenswerk bekomme …«
    Ich riss die Augen auf. Die anderen hatten aufgehört zu nähen und starrten ebenfalls.
    »Auf der Ber…, Berliner Filmnacht?«
    Ich hatte die Chefin noch nie stottern hören.
    »Aber selbstverständlich.«
    Als die Andrees gegangen war, öffneten wir eine Flasche Rotkäppchen-Sekt. Ein Kleid aus Helena Senners Schneideratelier auf der Filmnacht! Das musste gefeiert werden.
    »Kinder, ich werde mir neue Visitenkarten drucken lassen«, jubelte die Chefin, die uns immer ›Kinder‹ oder ›Mädels‹ nannte, wenn sie gut drauf war. Obwohl die Hälfte der Mitarbeiterinnen älter war als sie.
    »Helena von Senner – Modeatelier ›Star‹. Das hat eine Wirkung, was?«, jubelte sie. »Mit diesem Kleid komme ich ganz groß raus.«
    Wir sahen uns fragend an, denn erstens war ›Star‹ echt albern und zweitens war bisher keinem von uns bekannt gewesen, dass unsere Chefin einem Adelshaus entstammte.
    Es war Annemarie, die uns später aufklärte, dass es die Senner mit ihrem Namen noch nie so ganz genau genommen hatte. Denn eigentlich hieß sie auch nicht Helena, sondern Erna … Was für eine attraktive Mittvierzigerin allerdings wirklich eine Strafe ist. Sogar meine echt alte Oma hatte einen schöneren Vornamen, nämlich Luisa!
    Abgesehen von der Schwindelei mit dem Namen störte mich aber etwas anderes viel mehr. Das bald berühmte Filmnachtkleid hatte ich entworfen, zugeschnitten und

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