Glückskekssommer: Roman (German Edition)
kommen. Mein Freund muss unbedingt neben mir sitzen, wenn Eva Andrees mein Kleid über den roten Teppich trägt.
Rob heißt eigentlich Robert. Er findet den Namen aber spießig und bevorzugt deshalb die amerikanisch klingende Kurzform. Ich finde, es passt zu ihm, denn er ist ein cooler Typ mit Bodybuilderfigur und millimeterkurz geschorenen Haaren. (Das steht nur Männern mit schöner Kopfform. Bei ihm sieht es fantastisch aus.) Wir sind seit drei Jahren fest zusammen.
Lila hat keinen Freund. Sie trauert noch Micha, ihrer Jugendliebe, nach, mit dem sie sechs Jahre zusammen war. Leider hat Rob keinen Zwillingsbruder. Aber wir unternehmen viel zu dritt, so lange, bis Lila auch jemanden gefunden hat.
Gerade balanciert meine Süße ein Tablett mit drei randvoll gefüllten Tellern in mein Zimmer. Sie hat Hühnerkeulen gebraten und Reissalat mit Mais und Paprika dazu gemacht. Der Sekt ist gekühlt und als Nachtisch wartet eine große Portion Wackelpudding mit Vanillesoße auf uns – unser Lieblingsnachtisch schon seit Kindertagen.
»Rosa, du könntest wenigstens mal den Sekt holen«, sagt sie.
Ich springe schuldbewusst auf, um ihr zu helfen. Sie sieht richtig geschafft aus. Immerhin hat sie, weil ich nicht zu gebrauchen war, das ganze Essen allein gemacht, einschließlich einkaufen. Abgesehen davon kann ich überhaupt nicht kochen und bin deshalb in der Küche keine große Hilfe.
»Die Sendung fängt erst in einer Viertelstunde an«, sagt sie leicht genervt, als sie sieht, dass meine Blicke schon wieder am Fernseher kleben. »Das schaffst du hin und zurück. So weit ist es ja nicht bis zur Küche.«
Ich muss wohl oder übel lachen. Ich weiß ja, dass ich mich albern aufführe.
Als der Sektkorken knallt, klingelt es endlich. Rob ist da!
Lila macht auf und ich höre, wie sie ihm ein Küsschen auf die Wange gibt. Ich bin froh, dass die beiden sich mögen, denn mein Freund übernachtet oft hier. Es wäre schlimm, wenn Lila ein Problem damit hätte. Schließlich ist es ihre Wohnung.
Nach meinen zehn Semestern Studium in diversen Städten Deutschlands, die ich ohne jedweden Abschluss beendet hatte, stand ich quasi auf der Straße. Zu meinen Eltern wollte ich nicht zurück und in Omas kleiner Wohnung war kein Platz für mich, meine zahllosen Bücher und Grünpflanzen.
Lila lebte damals schon seit ein paar Jahren in Berlin. Nach dem Abi hatte sie keine Lust zum Studieren gehabt und deshalb im Nachbardorf eine Ausbildung im Einzelhandel gemacht. Aber sie wollte unbedingt zu ihrem Freund Micha ziehen, der damals in Berlin studierte. Viel Geld hatte sie nicht, aber dafür einen Traum gepaart mit einem starken Willen. Monat für Monat sparte sie ihren Lohn, bis es für den Umzug und eine kleine Wohnung reichte. Flugs befreite sie ihren Micha aus dem Studentenwohnheim. Sie arbeitete im Discounter an der Kasse, sorgte somit für ein regelmäßiges Einkommen und ein gemütliches Zuhause, während er sich ganz auf sein Studium konzentrieren konnte.
»Wenn er einmal Anwalt ist, muss ich nicht mehr arbeiten«, freute sie sich. »Dann verdient er das Geld. Wir bauen uns ein Haus, bekommen Kinder und ich bin die Frau an seiner Seite. So haben wir das abgemacht.«
Die Vereinbarung hielt, bis er Studium und Referendariat erfolgreich abgeschlossen hatte und schlagartig richtig gut verdiente. Da verließ er Lila, die als ›kleine Verkäuferin‹ für ihn als frisch gebackenen Anwalt einfach nicht ›repräsentativ genug‹ war.
Lila war am Boden zerstört. »Er wird zu mir zurückkommen. Das schuldet er mir. Ich habe doch alles für ihn gemacht.«
Obwohl sie quasi täglich mit Michas Rückkehr rechnete, zögerte sie keinen Moment, als sie sah, dass ich keine Bleibe hatte.
»Natürlich ziehst du bei mir ein«, bot sie an. »Die Pflanzen kannst du mitbringen, aber diese hässlichen Bücher nicht.«
Lilas Wohnung war nämlich, nachdem Micha seine Sachen abgeholt hatte, komplett bücherfrei. Das war eine Kleinigkeit, die uns voneinander unterschied. Außer zweimal im Monat ›Dr. Cordes – Kinderarzt aus Leidenschaft‹ las Lila nicht.
»Du kannst die Dinger doch verkaufen«, riet sie mir. »Dann hast du gleich die erste Miete zusammen.«
Aber ich hing an meinen Büchern, denn obwohl ich nicht gerade eine erfolgreiche Studentin war, gehörten sie doch zu meinem Leben. Vier Semester Medizin, drei Semester Jura, zwei Volkswirtschaft und eins Psychologie – alles, was sich da an Ordnern und Büchern angesammelt hatte,
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