Glückskekssommer: Roman (German Edition)
zwei Kleider vorzuführen. Margret und Jola helfen ihnen beim Umziehen.
Draußen dröhnt Shakiras ›Waka Waka‹ und ein
strahlendes Model nach dem nächsten kommt vom Laufsteg zurück. Ich nippe an meinem Cocktail und zerre nervös an meinem Kleid herum.
»Du musst nicht mehr aufgeregt sein«, sagt Anne, Vickys Agentin. Sie kommt gerade herein und gibt mir ein Küsschen. »So eine Stimmung habe ich noch nie erlebt. Ich hätte Lust, noch zehn Kleider von dir vorzuführen.«
Sie tippt auf ihr taubenblaues, kniekurzes Volant-Kleid. »Das hier kaufe ich übrigens. Nur damit du es weißt, ja?«
Ich nicke betäubt. Anne geht weiter, um sich noch einmal umzuziehen.
Nach circa 20 Minuten sind sie alle gelaufen. Jetzt bin ich dran. Ich darf es nicht verderben. Jetzt nicht heulen, nicht umknicken, keinen Firlefanz.
Also los, Rosa Redlich! Hier wird gerade dein Traum wahr!
Als ich den Laufsteg betrete, bin ich beinahe fassungslos. Der ganze Platz vor dem ›Schraders‹ ist voller Menschen. Es dämmert bereits. Das Abendrot taucht die Szenerie in einen beinahe magischen Lichtschein. Ich werde mit Beifall, Pfiffen und tosendem Jubel begrüßt. Ich konzentriere mich auf mein Lächeln und auf meine Schritte. Eins, zwei, drei … langsam fange ich an, mich sicher zu fühlen.
Dann sehe ich Basti. Er sitzt in der ersten Reihe und schaut mich an. Neben ihm – oh mein Gott –, neben ihm sitzt seine Mutter! Sie sieht atemberaubend wie immer aus. Und sie lächelt mich an. Ich laufe ein bisschen zittrig an den beiden vorbei. Hoffentlich halten die Nähte.
Jetzt nicht stolpern. Der Laufsteg ist so unglaublich lang.
Da ist Lila. Neben ihr sitzen Karl und Angelika. Sie zwinkern mir zu.
Überall Menschen, die mich mögen.
Und dann höre ich es. Ein irres Hundekläffen, so schrill und durchdringend, dass Shakira einpacken kann. Ich blicke mich suchend um. Da stehen sie, ganz hinten in der Menge – Oma, meine Eltern, Tante Susanne und Onkel Thorsten. Sie sind gekommen! Glücklich und erleichtert werfe ich ihnen eine Kusshand zu.
Tausend Gefühle stürzen auf mich ein. Ich weiß nicht, ob ich noch weiterlaufen kann. Mir ist schwindlig vor lauter Glück. Ich schwanke leicht. Doch dann kommen alle meine Models. Sie sind, wie verabredet, losgelaufen, als ich am Ende des Laufstegs angekommen bin. Jetzt umringen sie mich. Der Beifall erreicht eine schier unglaubliche Lautstärke. Unmengen Kameras sind auf uns gerichtet. Es ist wie in einem Hollywoodfilmfinale. Nur noch viel, viel besser! Ich winke Margret zu mir hoch. Zuerst ziert sie sich, aber dann stellt sie sich neben mich und der Applaus brandet noch einmal auf.
Doch dann geschieht etwas Seltsames.
Mit einem Mal kommt Bewegung in die Gruppe der Mädchen. Sie bilden rechts und links des Laufstegs ein Spalier. Ich erschrecke. Was machen sie da? Das war nicht abgesprochen. Ich habe keine Ahnung, aber Nelly flüstert mir zu: »Eine Überraschung«, dann zieht sie mich an die Seite.
Rob lässt aus dem Lautsprecher Glockengeläut erklingen. Mein Herz schlägt wie verrückt, weil ich keine Ahnung habe, was hier jetzt passieren wird. Als die Glocken verklingen, ist es mucksmäuschenstill auf dem Platz.
Und dann kommt sie. Meine allerbeste Freundin Vicki. Sie ist schön wie eine Göttin – in einem bodenlangen, cremefarbenen Empirekleid mit einer langen Schleppe und einer weißen Feder im offenen, glänzenden Haar. Sie trägt einen Strauß aus verschiedenen rosa Blüten in der Hand. Barfuß schreitet sie über den Laufsteg. Der Wedding hält den Atem an.
Es ist ihr Hochzeitskleid.
Erst jetzt sehe ich, dass neben mir, am Ende des Catwalks, Daniel steht. Er trägt einen Smoking. Neben ihm steht Basti und strahlt mich an. Ein paar Meter entfernt parkt eine weiße Limousine. Jetzt beginne ich ganz langsam zu begreifen.
Dieser Tag ist nicht nur mein bisher größter persönlicher und beruflicher Erfolg. Dieser Tag ist jetzt auch Vickis Hochzeit. Eine Traumhochzeit in einem Kleid, das ich genäht habe. Einen schöneren Abschluss konnte dieser wunderbare Tag nicht finden.
Als Daniel seine Braut vom Laufsteg hebt, brandet der Applaus wieder auf. Die Fotografen stürzen sich auf ihr Motiv (›Sex-Autorin heiratet Stararchitekt‹ oder ›Luxushochzeit im Armenkiez‹). Basti greift nach meiner Hand.
»Darf ich bitten?«
Mein Herzschlag setzt aus. Er wird doch nicht …?
»Keine Angst«, flüstert er und führt mich zum Auto. »Wir zwei sind nur die Trauzeugen.«
Zwei Minuten
Weitere Kostenlose Bücher