Glückskinder – Warum manche lebenslang Chancen suchen - und andere sie täglich nutzen
kein Träumer. Als der Sohn eines Gutsbesitzers Anfang der 50er Jahre ins Möbelgeschäft einstieg, hatte er keine sozialistischen Flausen im Kopf. Keinen Weltenplan, keine Vision, keine große Idee. Die Idee mit den Möbeln zum Selberbauen entstand nicht als ausgeklügeltes Konzept. Da gab es keinen Plan zum Reichwerden. Die Idee war aber auch kein Zufall, keine Glückssache. Sie war eine Chance, und Kamprad war ein Glückskind – also erkannte er die Chance, er folgte seinem Impuls: Ja, das klingt gut, das will ich machen. Er griff zu und erzwang so sein Glück.
Größe
Ja, Kamprad gilt als Geizkragen. Ja, er hat seinen Wohnsitz an einen Ort verlegt, wo die Steuerlast geringer ist als in Schweden. Ja, IKEA macht nicht nur positive Schlagzeilen. Aber welche Gutmenschen sind wir, über einen Mann zu richten, dessen Chancenintelligenz über 120 000 Arbeitsplätze schuf? Direkte Arbeitsplätze bei IKEA, und dazu kann man vernünftigerweise noch mal die gleiche Menge an Arbeitsplätzen bei den tausenden von Zulieferern dazuzählen. Wie können wir über einen Mann richten, der ein Angebot hat, das schätzungsweise eine Milliarde Menschen gerne und freiwillig wahrnehmen? Wie können wir über einen Mann richten, der in seinem Leben schon mehr Steuern gezahlt hat als ganze Städte über Generationen hinweg erwirtschaften?
Ich habe ja auch nicht behauptet, dass Glückskinder selig frohlockend durch die Welt jubilieren oder zu jeder Zeit mit sich im Reinen wären.
Sein Beispiel ist das eines großen Lebens. Ein Privatvermögen von geschätzten 23 Milliarden US-Dollar bedeutet nicht, dass er keine Probleme hätte. Vielleicht stimmt es ja, dass er zeitlebens gegen den Alkoholismus kämpfte. Vielleicht ist er ein problematischer Mensch, aber er ist ganz offensichtlich ein Glückskind. Ich habe ja auch nicht behauptet, dass Glückskinder selig frohlockend durch die Welt jubilieren oder zu jeder Zeit mit sich im Reinen wären. Aber was er angepackt hat, ist unglaublich groß geworden.
|229| Wie groß dieses Konzept geworden ist, sieht man am besten im hauseigenen Fotostudio. Dem größten der Welt. Hier wird der IKEA-Katalog produziert, mit 198 Millionen Auflage gedruckt in 29 Sprachen und 61 lokalen Ausgaben ist er nach der Bibel das meist verbreitete Printprodukt der Welt. Vor dem Studio steht ein Berg von Containern. Sie enthalten das komplette Sortiment – die Bausteine, aus denen sich jeder beliebige Lebensentwurf in kürzester Zeit kombinieren lässt. Und das nötige Lokalkolorit: in Mandarin beschriftete Nudelpackungen oder XXL-Fernseher für den US-Markt. Über 200 Mitarbeiter arbeiten das ganze Jahr lang an der neusten Ausgabe.
Wenn es nach den Konzernstrategen geht, sollen die weißen Flecken auf der gelb-blauen Weltkarte verschwinden. IKEA geht immer und überall. Bisher war jede Neueröffnung ein Erfolg. Vielleicht gerade weil es in den Stores rund um den Globus überall das gleiche Angebot gibt. Was McDonald’s in der Foodbranche geglückt ist, hat IKEA in Sachen Möbeldesign erreicht. Die Schweden haben die Weltformel gefunden. Ob in China, Russland, Manhattan oder London, die Leute kaufen die gleichen Dinge.
Und damit hat Kamprad nicht nur sein eigenes Leben verändert. Niemand ist eine Insel. Als Kamprad die Entscheidung traf, sich auf Möbel zu fokussieren, ahnte er noch nicht, dass diese Entscheidung so groß war, dass er damit das Leben von Millionen von Menschen beeinflussen würde. Das war auch nicht seine Absicht. Er hatte sich nicht vor den Spiegel gestellt und frei nach Michael Jackson gesagt: »Ich rette die Welt, und beginne mit dem Mann im Spiegel.« Nein, er wollte die Welt nicht vorantreiben, sondern nur einer schlichten Sache mehr Sinn schenken: Einen Tisch so konstruieren, dass man ihm im Versandhandel besser verkaufen kann. Das war alles. Später wurde ihm klar, welchen Geist er damit aus der Flasche gelassen hatte.
Er hat der Welt ein Angebot gemacht, das sie nicht ausschlagen wollte.
Kamprad beschreibt in seiner Biografie
Das Geheimnis von IKEA
sein Schlüsselerlebnis. Mitte der 50er Jahre besuchte er die Mailänder Möbelmesse. Doch dabei beließ er es nicht. Er schaute sich auch die Quartiere der italienischen Arbeiter an. Die Wirklichkeit bot ihm ein Kontrastprogramm zum schicken Design aus dem Wolkenkuckucksheim. » |230| Was ich da sah, erstaunte mich. Dunkle, schwere Möbel, eine einsame, kleine Glühbirne über einem wuchtigen Esstisch. Zwischen all der Eleganz auf der
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