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Glückskinder – Warum manche lebenslang Chancen suchen - und andere sie täglich nutzen

Glückskinder – Warum manche lebenslang Chancen suchen - und andere sie täglich nutzen

Titel: Glückskinder – Warum manche lebenslang Chancen suchen - und andere sie täglich nutzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Scherer
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dieser Terrassen, kaum breiter als eine Tischtennisplatte, ist heute ein Touristenmagnet, der sich nur mit der Chinesischen Mauer und den Pyramiden von Gizeh messen lassen muss: das 86th Floor Observation Deck, die Aussichtsplattform hoch über dem Betondschungel am Hudson auf dem Dach des Empire State Building. Dieses Bauwerk ist eine Legende. Genauso legendär sind die Schlangen an seinen Aufzügen.
    Das Ticket in den 86sten kostete 15 Dollar. Zu diesem Preis durfte man sich hinten anstellen. 30 Dollar kostete der Express Pass. Wie schön, ich hatte die Wahl! Ich hatte keinen Augenblick gezögert. Am |16| Schalter hatte ich meine Kreditkarte durch den Schlitz zwischen Marmor und Panzerglas geschoben, und sie war prompt zusammen mit meinem Express Pass wieder zurückgekommen – inklusive lächeln der Kassiererin. Ein Ordner hatte die dicke rote Absperrkordel ausgehakt, war zur Seite getreten und hatte mich durchgewunken. Ich war an der Schlange vorbeigegangen und in den Aufzug gestiegen.
    Auf dem Rückweg nach unten und hinaus auf die 5th Avenue kam ich jetzt wieder an dieser langen Menschenschlange vorbei, wo dieselben Gesichter wie vorhin darauf warteten, endlich nach oben fahren zu dürfen. An der Tür nach draußen kam mir ein junges Pärchen entgegen, Deutsche. Sie sagte zum ihm: »Oh, schau mal, die stehen alle an, das geben wir uns nicht.«
    Er sagte: »So ein Mist!«
    Ich sagte wie ein hilfsbereiter New Yorker: »Nehmt doch den Express Pass. Kostet das Doppelte, aber dann dürft ihr sofort nach oben, an der Schlange vorbei.«
    Aber an ihren Gesichtern konnte ich ablesen, dass diese Option wohl nicht in die engere Wahl kam. Er sah so aus, als ob er die Investition scheute, sie sah so aus, als könnte sie es nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren, wie ein VIP an all den Wartenden vorbeizugehen.
    »Oder geht rüber zum Rockefeller Center, 50. Straße, das ist fast noch schöner. Und die Schlangen sind nicht so lang.«
    Ich ging weiter und konnte noch sehen, dass die Laune und die Tatkraft der beiden im Keller waren. Warum eigentlich? Was an dieser Situation machte sie denn so verdrießlich? Sie hatten doch alle Möglichkeiten: Kleines Ticket mit Anstehen oder großes Ticket und schnell hinauf oder den eigentlich noch schöneren Blick vom Top of the Rock auf dem Rockefeller Center, wo man sowohl den Central Park viel besser sehen kann als auch obendrein das schönste Gebäude der Stadt bewundern kann, weil man nämlich nicht gerade selber draufsteht: das Empire State Building. Oder sie könnten ganz darauf verzichten und einen der unzähligen anderen tollen Plätze aufsuchen, die es in dieser Stadt der wahrlich unbegrenzten Möglichkeiten gibt. Aber miese Laune bekommen? Wohl die schlechteste Option. |17| Warum sehen sie die Chancen nicht? Warum sind sie so fixiert auf das Eine, das sie geplant hatten, und das sich jetzt als ein wenig problematisch herausstellt?
    Als ich draußen nach einem Taxi winkte, drehte ich den Gedanken im Kopf anders herum: Warum habe ich als Einziger von allen Besuchern weit und breit diesen Express Pass gekauft? Was genau war es, was mich ohne mit der Wimper zu zucken, ja, ohne es groß zu bemerken, den Sonderweg gehen ließ, der für mich aussah wie der einzig vernünftige Weg? Und was genau war es, was denen da unten den Weg nach oben versperrt hatte? 15 Dollar Aufpreis? Geschenkt! Bei geschätzten 1   500 Dollar Invest in einen Wochenend-Trip nach New York kosten drei Stunden Warten zehnmal so viel wie ein Express-Ticket. Es kann nicht das Geld sein, jedenfalls stünden die gesparten 15 Dollar in keinem vernünftigen Verhältnis zum Preis, der dafür stattdessen zu berappen wäre: drei Stunden Erleben einer grandiosen Stadt verloren und diese wertvolle Zeit in einer Warteschlange verplempert! Oder so gesehen: Stellen Sie sich vor, es gäbe einen Beam-Apparat, der Sie mit einer Raumschiff-Enterprise-Technologie völlig ungefährlich und innerhalb eines Sekundenbruchteils von Ihrem Wohnzimmer nach New York befördern könnte. Drei Stunden Aufenthalt in Manhattan würden 10,40 Euro vierzig Cent kosten, nach dem aktuellen Kurs 15 Dollar. Guter Deal? Was für eine Frage! Der Preis eines Kinotickets. Der beste Deal, den ich mir vorstellen kann, ich würde wahrscheinlich versuchen, ein Abo auszuhandeln, um jeden Tag rüberzubeamen. Das Expressticket ist eines der besten Geschäfte, die ich kenne. Aber so sehen das die Leute nicht. Nur: Wie sehen sie es denn?
    Ist es Zugehörigkeit? – Die

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