Gluecksstern mit Schwips
in die Küche. Er lehnt sich lässig gegen den Kühlschrank und beobachtet aufmerksam jede meiner Bewegungen.
Ich hole zwei Gläser aus dem Küchenschrank.
„Wasser?“
„Gerne.“
Ich fülle die Gläser mit Leitungswasser und reiche Jim eines der beiden Gläser.
Schon beim ersten Schluck verzieht er das Gesicht.
„Ist was verkehrt?“ Ich schnüffele misstrauisch an meinem Glas.
„Dieses Wasser schmeckt wie der Schlund von Ali Baba.“ Er schüttelt sich.
Wer ist eigentlich Ali Baba? Und wieso weiß Jim, wie der Schlund seines Freundes schmeckt? „Das ist bestes Hamburger Leitungswasser“, sage ich.
Mit angewiderter Miene stellt Jim sein Glas ab.
„Jim, so kommen wir nicht weiter“, fange ich erneut an. „Du musst ehrlich zu mir sein, wenn ich dir helfen soll.“ Jim hat mir den Rücken zugewandt und betrachtet sich im Spiegel. Meine Güte, der Typ hat einen absolut sehenswerten Hintern. Die Hose sitzt wie angegossen. Und dann dieser Oberkörper! Der macht mich ganz verrückt. Er fährt sich mit den Fingern durch das dicke Haar. Ein hoffnungsloses Unterfangen, die Haare fallen weiter störrisch nach vorne ins Gesicht.
„Jim?“
Er dreht sich wieder zu mir. Sein Gesicht ist nur wenige Zentimeter von meinem entfernt. Ich halte automatisch die Luft an bei so viel körperlicher männlicher Nähe. „Ich stehe tief in deiner Schuld, denn du hast mich nach all den Jahren des Wartens aus der Flasche befreit ...“, sagt er mit ernster Miene.
Mann, wenn ich schon mal im Suff einen Mann mit hochnehme – muss es dann ausgerechnet ein psychisch Kranker sein?!
Anna und ich sind absolute Fans der US-Serie Greys Anatomy . Für Anna ist es eine Art Fortbildung, und ich habe auch eine Menge gelernt. Ich traue mir nach acht Staffeln durchaus zu, einen Not-Luftröhrenschnitt mit einem Strohhalm durchzuführen. Der Umgang mit psychisch Kranken wurde auch mehrfach gezeigt. Ich denke, jetzt ist ein guter Moment, meine erworbenen Psychologiekenntnisse anzuwenden.
„Ach, da mach dir mal keine Sorgen“, sage ich. „Ich entlasse dich hiermit aus deiner Schuld. Du bist frei und kannst gehen.“ Gut gemacht! Ich bin ein klein wenig stolz auf mich.
„So einfach ist das nicht“, widerspricht Jim.
„Doch“, beteuere ich. „Du muss nur aus der Haustür raus und …tatata!“
„Aber ich gehöre jetzt zu dir ...“
„Moment!“ Ich hebe meine Hand. „Was heißt, du gehörst jetzt zu mir? Du hast bei mir übernachtet, mehr nicht ... Also, wo liegt das Problem?“
„Du bist jetzt meine Meisterin.“
„Ja, ja, ja, ja, und der Weihnachtsmann ist mein Großvater“, versuche ich, einen Scherz zu machen. Der Typ ist ein klarer Fall von Schizophrenie. „Könntest du bitte nur für einen klitzekleinen Moment versuchen, dich auf unser Problemchen hier zu konzentrieren.“
Jim sieht mich mit verständnislosem Blick an.
„Der ganze Unsinn mit der Flasche und so ...“
Schweigen.
Ich räuspere mich. „Du ... du willst also allen Ernstes behaupten, dass du aus einer Flasche kommst?“
„Genau so ist es!“, antwortet Jim mit dem Brustton der Überzeugung.
Oh mein Gott! Ich habe in meinem Leben ja schon eine Menge verrückter Sachen gehört, aber das übertrifft wirklich alles. Der Typ kann meiner Mutter locker Konkurrenz machen, und das will etwas heißen. Eigentlich müsste ich mir ja vor Angst in die Hosen machen, aber aus einem mir unerklärlichen Grund – vielleicht sind es seine treuen Augen oder meine Hormone– habe ich keine Angst. Im Gegenteil! Ich fühle mich geradezu von ihm angezogen. Er sieht aber auch absolut umwerfend aus, wie er so vor mir steht.
„Und wo ist diese wundersame Flasche jetzt?“ Ich kann nur mit Mühe ein hysterisches Kichern unterdrücken. Ich kann nur hoffen, dass uns keiner zuhört, sonst erklärt man mich gleich mit für verrückt.
„ Weggeworfen.“ Er deutet mit dem Zeigefinger auf den Platz unter meiner Spüle.
Ich habe eine Flasche weggeschmissen? Na ja, für gewöhnlich ist das ja eher eine normale Handlung – in diesem speziellen Fall allerdings verwundert es mich. Der Ärger ist nur, dass ich mich an nichts erinnern kann! Was allerdings kein Wunder ist, wenn man bedenkt, dass ich noch nicht einmal wusste, ob wir Sex miteinander hatten. Was habe ich Unglückswurm gestern Nacht denn noch alles getan?
„Und was kann ich tun, damit du ... äh … wieder zurück kannst?!“ Ich fasse es nicht, dass ich diese Frage wirklich gestellt habe. Das ist absolut
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