Gluecksstern mit Schwips
loszuwerden. Nicht, dass ich ihn nicht nett finde. Wenn ich ehrlich bin, finde ich ihn sogar außerordentlich nett. Aber ich bin eine Frau mit Prinzipien, und außerdem bin ich quasi verlobt.
Jim nickt stumm.
„So, jetzt zeigt dir die Sara mal, wie man hier bei uns eine Flasche wieder zusammenbaut“, verkünde ich und zücke den Sekundenkleber.
D as erste Teil geht kinderleicht. Bei den zwei kleineren Teilen gestaltet sich meine Restaurierungsarbeit nicht so einfach, wie ich zunächst angenommen hatte. Jim steht die ganze Zeit hinter mir und schaut mir schweigend zu.
Die Flasche muss alt sein, denn abgesehen von den Rissen ist das Fläschchen mit einer Patina bedeckt. Das Glas schillert dunkelrot im Licht der Lampe. Die Oberfläche ist glatt, lediglich um den Bauch der Flasche herum ist ein zartes Ornament in das Glas geritzt. Ich halte die fertige Flasche hoch ans Licht, um das Muster genauer zu untersuchen. Zu meiner Überraschung muss ich feststellen, dass es sich bei dem Muster um Schriftzeichen handelt, die offenbar von Hand in das Glas geritzt wurden.
„ Ist die Flasche kostbar?“, frage ich und lasse meine Hand wieder sinken.
Jim nickt. „Jeder Dschinn hat nur eine Flasche.“
„Es tut mir wirklich leid, dass ich sie hingeschmissen habe. Weißt du, ich trinke sonst nicht so viel Alkohol. Ich weiß auch nicht, was gestern in mich gefahren ist. Aber ich denke, so wird es gehen.“
Jim nimmt das Fläschchen behutsam in seine Hand und betrachtet es von allen Seiten.
„Ziemlich gut geworden, was?“
Jim nickt. „Ich muss zugeben, ich hätte nicht gedacht, dass du es so gut wiederherstellen würdest.“ Bedächtig stellt er das Fläschchen auf den Küchentresen. Wir schweigen ein paar Sekunden.
„Ist es wirklich dein ausdrücklicher Wunsch, dass ich dich verlasse?“, fragt er. Seine Augen ruhen auf mir. Hastig senke ich meine.
„Ja“, räuspere ich mich.
„ Dann soll es so sein“, flüstert er rau. „Dein Wunsch ist mein Befehl.“
Er schließt die Augen. Hä! Damit habe ich jetzt nicht gerechnet. Ich hatte eher so die Idee, dass er seine Flasche unter den Arm nimmt und aus meiner Küche – meinem Leben – verschwindet. Was soll denn das jetzt? Wieso geht er nicht einfach? Der glaubt doch nicht wirklich allen Ernstes den Mist, den er erzählt? Jim verharrt weiter regungslos und mit geschlossenen Augen. Ich tippe ihm auf die Schulter. In der Küche ist es mucksmäuschenstill, lediglich der Kühlschrank surrt leise. Was mich daran erinnert, dass ich unbedingt den Elektriker anrufen muss. Von Jim keine Reaktion. Jims Brustkorb hebt sich, während er seine Lungen bis zum Bersten mit Luft füllt. Sein Gesicht wirkt angespannt. Ich blinzele irritiert. Jim sieht verschwommen aus. Ich blinzele erneut. Bestimmt ist meine Kontaktlinse verschmiert. Das passiert mir ständig. Ich schließe meine Augen und reibe einmal kräftig mit den Fingern über meine geschlossenen Augenlider. Als ich sie wieder öffne, steht Jim immer noch regungslos und leicht unscharf vor mir.
Ich muss mich zusammenreißen, um nicht gleich hysterisch loszukichern. Die ganze Situation erscheint mir völlig lächerlich. Hier stehe ich , Saraswati Sandana Elisabeth Wegner, neunundzwanzig Jahre alt, Besitzerin einer Dreizimmerwohnung, einer Stereoanlage, eines Fernsehers, eines Mini Cabriolets, im vollen Besitz meiner geistigen Kräfte, und warte darauf, dass der Typ in einer Flasche verschwindet ... Wie bescheuert kann es eigentlich noch werden?
Genau in diesem Moment klingelt mein Handy. Mist, ausgerechnet jetzt.
Wenigstens schlägt Jim die Augen auf.
„J ... Jim?!“
Das Handy klingelt zornig im Hintergrund.
„Alles okay mit dir?“
Er nickt.
„Rühr dich nicht vom Fleck!“ Ich stürme aus der Küche ins Wohnzimmer und schnappe mir mein Handy.
Auf dem Display lacht mir Florian entgegen. Das Foto habe ich während unseres letzten Urlaubs auf Sylt gemacht.
„Hallo?“
„Sag mal , wo steckst du?“, blafft mich Florian an. „Ich warte seit Stunden auf deinen Anruf. Was ist denn los mit dir?“
„Entschuldige , bitte“, stammele ich an. „Gestern Nacht ist es später geworden, und ich wollte dich nicht mehr wecken.“ .“ Jetzt bloß nicht versprechen! Kein falsches Wort, sonst bin ich geliefert. Nicht, dass mir Florian nicht vertraut! Grundsätzlich tut er das – aber, wenn er erfährt, dass ich betrunken einen fremden Mann mit in meine Wohnung genommen habe, rastet er bestimmt völlig aus. Ich glaube mir
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