Gluecksstern mit Schwips
lächerlich. Ich bin eine moderne junge Frau, die mit beiden Beinen im Leben steht. Ich habe mein Abitur mit erstaunlicher Leichtigkeit bestanden, und das ganz gut. Mein Studium hat mir ebenfalls keine Mühen bereitet, und auch sonst komme ich gut durchs Leben. Ich glaube an die große Liebe, aber ich glaube nicht an Flaschengeister oder ähnlichen Kram. Das ist auch ein Grund, warum ich nicht gerne in Fantasyfilme gehe. Das ist mir alles viel zu abgefahren und unrealistisch.
Jim zuckt mit den Schultern. „Ich bräuchte meine Flasche!“
Die Flasche ...?
Die Flasche ...!
Nichts leichter als das! Ich reiße die Schranktür auf und zerre den Mülleimer hervor. Jim beobachtet mich mit wachsamem Blick. „Da drin?“, zweifle ich.
„Ja.“
Ich beuge mich über den Eimer. Puh! Was für ein Gestank! Das müssen die Reste vom Seelachsauflauf sein, den ich vor zwei Tagen für mich und Florian zubereitet habe. Ich halte die Luft an und starre in den Eimer. Zwischen den Fischresten, den angebrannten Reisresten, der verklebten Frischhaltefolie und den vergammelten Narzissen entdecke ich Glasreste, die zweifellos mal ein Fläschchen waren.
„Aber die Flasche ist kaputt“, kombiniere ich messerscharf.
„Genau“, nickt Jim. „Deshalb kann ich ja auch nicht zurück.“ Schlauberger!
Mit spitzen Fingern picke ich den roten Flaschenbauch heraus.
Wo ist denn nur der Rest? Angewidert tauche ich meine Hand in den Müll, vorbei an den Fischgräten und den Quarkresten. Leider ohne Erfolg!
Da hilft nur eines! Schließlich handelt es sich hier um einen Notfall! Kurzerhand drehe ich die Mülltonne auf den Kopf. Der gesamte Müll ergießt sich auf meinen Küchenboden. Was für eine Schweinerei! Egal. Ich schiebe die Ärmel meines Shirts hoch, knie mich auf den Boden und fange an, Stück für Stück auszusortieren. Ich komme mir vor wie Aschenbrödel. Die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen. Fehlt nur noch die böse Stiefmutter!
Nach einer gefühlten Ewigkeit habe ich die restlichen Scherben aus dem Müll gepult. Jim steht die ganze Zeit schweigend daneben.
„Darf ich dich etwas fragen?“ Ich halte die Scherben in meiner Hand.
Jim nickt.
„Wieso ist deine Flasche ausgerechnet in meiner Tasche gelandet, wenn du , wie du behauptest, ein Flaschengeist bist?“ Ha! Jetzt habe ich ihn. „Ich meine, ihr Jungs könnt doch zaubern, oder nicht?!“
„Nicht der Dschinn findet seinen Meister, sondern die Flasche.“
Klingt logisch, ist es aber nicht. Na ja, war ja zu erwarten, wenn jemand behauptet ein Flaschengeist zu sein.
„Was machst du jetzt damit?“ Er sieht mich an, als würde mir gerade ein zweiter Kopf wachsen.
Ich blicke zu ihm hoch. Na, ein bisschen schwer von Begriff ist der Junge schon! „Das liegt doch auf der Hand“, antworte ich etwas ungeduldig. „Sobald ich alle Teile gefunden habe, setzen wir deine Flasche wieder zusammen und du kannst – schwupp – zurück nach ... Wie hieß noch mal der Ort, wo du herkommst?“ Ich strahle ihn hoffnungsvoll an.
„Hala-Blamana“ Jim wiegt nachdenklich seinen Kopf hin und her. „Ich glaube nicht, dass das funktionieren wird.“
Nein, natürlich nicht, du Idiot! Menschen können nicht in kleinen Flaschen wohnen! Aber hier geht es nicht um meine Meinung, hier geht es darum, einen Irren zufriedenzustellen, damit er mich endlich in Ruhe lässt.
„Vertrau mir“, sage ich deshalb und lege übertrieben viel Zuversicht in meine Stimme. „Ich war schon als Kind gut im Puzzeln. Das ist für mich ein Kinderspiel.“
Mit angespanntem Gesichtsausdruck verfolgt Jim jede meiner Bewegungen. Mir wird ganz kribbelig.
Vorsichtig schiebe ich die gefundenen Glasstückchen zusammen , um zu kontrollieren, ob ich auch wirklich alle Teile gefunden habe. Wenige Minuten später bin ich fertig.
„Und nun?“ Jim lächelt.
„Jetzt hole ich den Kleber und mache mich daran, deine Flasche wieder zusammenzuflicken – wenn du es schon nicht kannst! Damit du anschließend aus meiner Wohnung verschwinden kannst.“ Ich finde den Vorwurf berechtigt, denn schließlich behauptet Jim, ein Dschinn zu sein, und dass Flaschengeister zaubern können, weiß jeder seit dem Film Bezaubernde Jeannie . Ich bin der Ansicht, wenn man schon lügt, dann sollte man es wenigstens überzeugend tun.
„Sara, ich glaube nicht ...“
„Halt!“, unterbreche ich ihn. „Kein Wort mehr. Vertrau mir einfach.“ Ich bin wild entschlossen. Vor mir liegt meine einzige Chance, diesen Jim wieder
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