Gluecksstern mit Schwips
Ich entziehe ihm meine Hand und greife nach dem Becher Kaffee.
„Du siehst heute Morgen noch schöner aus als gestern Nacht! Wie eine Blume, die über Nacht erblüht ist.“
Ich verschlucke mich an meinem Kaffee. Es folgt ein Hustenanfall der feinsten Sorte. Jim springt auf und klopft mir auf den Rücken, was alles noch schlimmer macht. „Danke!“ Jim klopft unbeirrt weiter.
„Ich muss los“, keuche ich zwischen zwei Hustenanfällen.
„Geht es dir gut?“
„Mach dir keine Sorgen ... hust ... hust ... alles okay!“
„Wann kommst du wieder?“
„Ich weiß noch nicht genau. Wahrscheinlich gegen sechs Uhr.“ Ich stehe auf. Mein Gesicht ist puterrot vor Anstrengung. „Danke für das tolle Frühstück.“
„Was wünscht du dir zum Abendessen?“, fragt Jim, kurz bevor ich die Küchentür erreicht habe.
„Gebratenes Honiglamm, und zum Dessert ein echtes italienisches Eis“, sage ich zum Spaß.
„Dein Wunsch ist mein Befehl.“ Jims dunkle Augen verändern sich – werden noch dunkler. Ich wünschte, er würde endlich mit diesem „dein Wunsch ist mein Befehl“ aufhören. Das ist doch totaler Quatsch. Aber, na ja.
„Ja, bis später“, verabschiede ich mich.
Im Büro herrscht helle Aufregung wegen des morgendlichen Meetings.
„Du bist spät dran“, empfängt mich Melanie.
„Wenn du wüsstest“, rufe ich und schnappe mir meinen Laptop. „Ich habe das absolute Scheißwochenende hinter mir. Also stell bitte keine Fragen!“
„Ich nicht, aber Susanne hat schon nach dir gefragt.“ Melanie zupft nervös an einer Haarsträhne herum.
„Oh nein“, stöhne ich. „Und was wollte sie?“
„Keine Ahnung.“ Sie verzieht das Gesicht. „Ich glaube, es ging um die Frostbeulen -Kampagne.“
Ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen. Heute ist mein Tag! Endlich kann ich allen beweisen, dass ich es draufhabe! Freudig schnappe mir meinen Laptop.
„Was grinst du eigentlich so dämlich?“, fragt Melanie auf dem Weg zum Konferenzraum.
„Ist doch klar , warum!“, sage ich. „Heute ist Frostbeulen -Tag – also mein Tag!“
„Und du glaubst immer noch, dass sie deinen Entwurf genial fand?“
„Na klar! Der Entwurf ist ja auch gut. Das ist das erste Meeting meines Lebens, auf das ich mich aufrichtig freue.“
„Das stimmt. Trotzdem würde ich der Schlange keinen Meter über den Weg trauen.“
„Ach , komm schon! Manchmal muss man eben über seinen Schatten springen.“ Melanie wirft mir einen Blick zu, als ob mir gerade ein zweiter Kopf gewachsen sei.
„Du wirst sehen, deine Stunde des Triumphes wird auch noch kommen“, sage ich gönnerhaft.
„Na, dein Wort in Gottes Ohr.“
„Was meinst du denn damit?“, frage ich.
„Ich traue der Hexe nicht bis zur Nasenspitze.“
„Komm schon. Jeder Mensch hat eine zweite Chance verdient.“
„Jeder Mensch, ja – aber nicht Susanne. Außerdem hat sie ihre zweite Chance bei mir längst aufgebraucht.“
Wir betreten den Konferenzraum. Alle Mitglieder der Abteilung haben bereits an dem großen Tisch Platz genommen. Susanne empfängt uns mit einem Lächeln.
„Guten Morgen , die Damen. Na, auch aus dem Winterschlaf erwacht? Genügend Speck habt ihr ja noch auf den Rippen.“
Melanie wirft mir einen Siehst-du-ich-habe-recht-Blick-zu! Ich zucke mit den Achseln. Das ist alte Gewohnheit. Ich bin mir sicher , Susanne hat es nicht so gemeint! Ich ringe mir ein Lächeln ab. Schließlich weiß ich ja, dass heute mein Tag ist und ich gleich ganz groß rauskommen werde. Wie zur Bestätigung zwinkert Susanne mir zu. Isabel wirft mir einen mitleidigen Blick zu, als ich mich neben ihr auf den Stuhl fallen lasse.
„Die Alte ist mal wieder richtig gut drauf.“ Melanie tippt nervös mit dem Finger auf der Tischplatte herum.
„Ach , kein Problem“, winke ich lässig ab.
Melanie verzieht das Gesicht.
„Na, meine Damen, was gibt es denn da zu tuscheln? Vielleicht möchtet ihr uns ja alle an euren wertvollen Informationen teilhaben lassen?“ Susanne bleckt die Zähne.
„Ich habe Melanie nur gesagt, dass ich mich freue , hier zu sein“, antworte ich schnell. Melanie rollt mit den Augen.
„Na, nachdem diese elementar wichtige Information nun ausgetauscht ist, können wir uns vielleicht auf unser Brainstorming zum Thema Frostbeule konzentrieren.“ Sie wirft einen geheimnisvollen Blick in meine Richtung.
Ich bin gespannt wie ein Flitzebogen.
„Gut!“, sagt Susanne mit spitzem Mund. „Rainer wird im Laufe des Meetings zu uns
Weitere Kostenlose Bücher