Gluecksstern mit Schwips
Bild?
„Wunderbar, meine liebe Susanne“, beglückwünscht sie Rainer. Er strahlt wie eine Tausendwattbirne. „Ein ausgesprochen ansprechender Entwurf.“
Hä?! Unser Fisch ist frisch ... das ist Grundschulniveau. Wie kann man einen solchen Slogan gut finden? Ich versteh e die Welt nicht mehr.
„ Ich habe den Entwurf bereits an die Agentur geschickt, schließlich wollen wir keine Zeit verlieren. Ich hoffe, das war in deinem Sinne?!“ Sie lächelt siegessicher Rainers Richtung.
Das ist wieder mal typisch f ür Susanne. Andere die Arbeit machen lassen und sich dann die Lorbeeren dafür abholen. Na toll!
„Das ist ...“, sagt Rainer.
„ ... nicht mein Entwurf“, rufe ich heiser. Alle Augenpaare ruhen auf mir.
„Nein, liebe Sara. Ganz richtig bemerkt! Das ist der Entwurf unserer lieben Jacqueline.“ Susanne macht eine Handbewegung, und Jacqueline steht auf. Jacqueline ist so unscheinbar wie die Wand, vor der sie steht, und seit ewigen Zeiten in Susannes Team. Bisher hatte ich eher den Eindruck, dass Jacqueline keine große Leuchte ist, wenn es darum geht, Ideen zu entwickeln. Aber wie heißt es immer so schön: Ein blindes Huhn findet auch mal ein Korn. „Ich sage es nur ungern, aber nimm dir ein Beispiel an deiner Kollegin“, quält mich Susanne mit geradezu sadistischer Freude weiter.
Ich bin mir sicher, dass Susanne ganz bewusst Jacqueline ausgesucht hat, um mir eins auszuwischen. Ich hätte es wissen müssen, dass das ganze freundliche Getue nur gespielt war. Und – was mache ich blöde Kuh? Ich renne mit offenen Armen in die Falle!
Mein Gesicht fühlt sich an, als hätte jemand einen Flammenwerfer darauf gerichtet. Rainer mustert mich mit abschätzendem Blick. Wahrscheinlich hält er mich jetzt für eine totale Idiotin. Susanne schießt mit den Augen Pfeile auf mich. Könnten Blicke töten, dann läge ich jetzt röchelnd auf dem Boden.
Ich bin kein Mensch, der anderen etwas Schlechtes wünscht. Ich gönne jedem seinen Erfolg, wenn er ihn verdient hat. In diesem Moment allerdings habe ich Mordgedanken.
„Wer ist die junge Dame?“, fragt Rainer mit hochgezogener Augenbraue und deutet auf mich.
Susanne leckt sich über die Lippen. „Das ist Sara. Sie ist neu in meinem Team und hat an dem Entwurf mitgearbeitet. Ich denke , Sara hat ein gewisses Potenzial, aber es wird noch eine Weile dauern, bis wir mit wirklich guten Leistungen bei ihr rechnen können“, flüstert sie gerade so laut, dass wir alle sie hören können.
Mir klappt die Kinnlade nach unten über so viel Dreistigkeit.
„Prima Idee, die jungen Mitarbeiter einzubinden und zu fördern. Hätte von mir sein können.“ Rainer nickt zufrieden. „Weiter so! Ich denke, damit haben du und dein Team einen weiteren Meilenstein in der Erfolgsgeschichte unseres Unternehmens gelegt. Erst die Reinweiß- Kampagne und nun Frostbeule .“ Susanne lacht hysterisch. „Liebe Susanne, ich danke dir!“ Mit theatralischer Geste umarmt er Susanne. „Was wäre die Agentur Rausch ohne so fähige Mitarbeiter, wie du es bist.“
Ich könnte kotzen, während der Rest der Anwesenden erleichtert aufatmet.
Melanie flüstert. „Habe ich es dir nicht gesagt. Einmal Mistkuh – immer Mistkuh!“
Mein Mund steht immer noch offen. Ein Meer von Tränen bahnt sich seinen Weg nach oben. Nur mit Mühe gelingt es mir, sie herunterzuschlucken. Auf keinen Fall werde ich mir die Blöße geben und hier – und vor allen Augen – in Tränen ausbrechen. Ich balle meine Hände zur Faust.
„Stell sie zur Rede !“ Melanie sieht mich mit großen Augen an. „Frag sie, warum sie das getan hat. Deine Idee ist viel besser und ausgereifter.“
Ich schüttele den Kopf. Zu mehr bin ich im Moment nicht fähig. Weil ich ein blöder Feigling bin, der den Mund nicht aufbekommt. Mein Selbstwertgefühl hat sich soeben auf Lebzeiten von mir verabschiedet. Alles, was zurückbleibt, ist ein mieses kleines Häufchen Elend. Mit hängenden Schultern und gesenktem Kopf verlasse ich den Konferenzraum.
Nach Feierabend laufe ich im Eiltempo zur U-Bahn. Schließlich will ich Hassan in seinem Dönerladen einen kleinen Besuch abstatten. Die U-Bahn ist gestopft voll, und ich kann mir nur mit Mühe einen Stehplatz ergattern. Ich muss gestehen, das Benutzen von öffentlichen Verkehrsmitteln ist in meinen Augen immer eine Strafe. Da sitzen oft Typen in der Bahn, denen ich nicht nachts auf offener Straße begegnen möchte. Heute sitzt mir eine Mutter mit einem reizend aussehenden Jungen
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