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Gluecksstern mit Schwips

Gluecksstern mit Schwips

Titel: Gluecksstern mit Schwips Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Gercke
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gegenüber. Gerade zerrt der Kleine am T-Shirt seiner Mutter.
    „Anton , Brust!“, kreischt der Junge und grabscht seiner Mutter an Besagte. Okay, vielleicht doch nicht reizend.
    Ich sehe verwundert zur Mutter. Ich meine, ich kenne mich ja mit dem Stillen nicht wirklich aus, aber dieser kleine Kerl erscheint mir deutlich zu alt, um noch an der Brust seiner Mutter zu hängen.
    „Schätzchen, du hast gerade getrunken“, erklärt die Mutter mit zuckersüßer Stimme.
    Der Kleine reißt weiter an dem T-Shirt. Geduldig schiebt die Mutter die Hand zur Seite.
    „Kakka Mama“, quittiert der Kleine die Ablehnung seines Wunsches und greift sich das Handy der Mutter.
    Die Mutter seufzt und wendet sich entschuldigend an mich. „Fynn Jonathan tut sich mit seinen zwei Jahren ein bisschen schwer mit dem Abstillen. Meine Brüste sehen schon aus wie zwei Wasserschläuche. Ich weiß auch nicht, was ich machen soll.“
    Ich nicke mitleidig. Fynn Jonathan streckt mir die Zunge heraus. Gott bewahre, dass ich jemals Mutter eines solchen Kindes werde.
    Zum Glück dauert die Fahrt nicht lange, und nach knapp acht Minuten habe ich mein Ziel erreicht. Wie immer ist in der Schanze viel los. Überall sitzen junge Leute in den Cafés oder schlendern durch die Straßen. Ich liebe dieses lebhafte Viertel mit seinem Multikulti-Flair. Von der U-Bahn sind es zu Hassans Dönerladen nur wenige Minuten. Die Aussicht auf einen leckeren Döner und ein paar Antworten beschleunigt meine Schritte.
    Vor Hassans Laden sitzen einige Kunden auf einer Bierbank und essen genüsslich einen Döner in der warmen Abendsonne. Mir läuft bei dem Anblick das Wasser im Munde zusammen. Das will ich auch. Ich trete ein.
    Hassan steht wie gewöhnlich hinter dem kleinen Tresen und bedient gerade einen Kunden, einen stämmigen jungen Mann, der aussieht, als wäre er unter eine Druckerpresse geraten. Jeder sichtbare Hautfetzen ist mit einem Tattoo bedeckt. Ich persönlich bin kein großer Fan dieses Körperkults. Die Vorstellung, dass ich mit sechzig immer noch mit irgendwelchen Bildchen auf der Haut herumlaufe, die ich vor zwanzig Jahren gut und mittlerweile schrecklich finde, gefällt mir überhaupt nicht. Ich meine, wer weiß schon, worauf er in zwanzig Jahren steht.
    Hanna, eine Freundin von mir , dachte, sie wäre besonders originell und hat sich während einer Chinarundreise an die Stelle, wo andere sonst ein Arschgeweih habe n, chinesische Schriftzeichen auf die Haut sticheln lassen. Der kleine Chinese habe ihr mit Inbrunst versichert, dass es sich um die Zeichen für „Liebe“ und „Frieden“ handeln würde. Als sie einige Wochen später eine Yogastunde in ihrem Fitness-Club besuchte, stand hinter ihr in der Reihe zufällig ein Chinese, der ihr ständig verstörte Blicke zuwarf. Hanna, die für gewöhnlich nicht auf den Mund gefallen ist, fragte kurzerhand nach, warum er sie so anstarre, worauf der Mann verschämt auf ihren Rücken deutete und sie fragte, warum sie sich die Worte „Soja“ und „Soße“ hätte tätowieren lassen. Man kann sich vorstellen, dass diese Erkenntnis bei Hanna auf wenig Begeisterung stieß. Vielleicht sollte ich noch erwähnen, dass Hanna das Tattoo noch immer trägt, da sie dadurch Ken, so heißt besagter Chinese nämlich, kennengelernt hat. Hanna und Ken sind mittlerweile seit drei Jahren zusammen und haben eine entzückende kleine Tochter. Ja, manchmal nimmt das Schicksal seine eigenen Wege.
    Ich lasse meinen Augen durch den Raum schweifen, kann aber Hassans Mutter nirgends entdecken. Ich stelle mich hinter den jungen Mann. Hassan reicht einen äußerst appetitlich auss ehenden Döner über den Tresen. Seine Augen blitzen vergnügt, als er mich erkennt.
    „Ah, junge Frau von Nacht.“ So, wie er es sagt, klingt es, als sei ich ein Vampir, mit dessen Auftreten er tagsüber nicht gerechnet hat.
    „Hallo , Hassan“, grüße ich zurück. Der Mann vor mir bezahlt und geht.
    „Wo ist deine Mutter?“, f alle ich mit der Tür ins Haus.
    „Mutter ist zurück in Türkei“, kommt die prompte Antwort.
    Mist! Das wirft meine Pläne komplett über den Haufen. „Und wann kommt sie zurück?“, frage ich.
    „Keiner weiß. Vielleicht nächst Woche, vielleicht nächst Jahr“, antwortet Hassan und streicht sich über seinen Schnauzer.
    „Nächstes Jahr?“, wiederhole ich bestürzt.
    Hassan nickt. Es klingelt.
    „Warum du willst wissen?“
    Neue Kundschaft betritt den Laden. „Weil ich sie dringend etwas fragen muss, wegen des

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