Gluecksstern mit Schwips
wirklich willenlos“, seufze ich. „Bei dir muss ein Mann nur gut aussehen und schon wirst du schwach. Anna, jetzt wird’ mal erwachsen.“
„Du müsstest dich mal reden hören. Du klingst wie meine Mutter.“
„Du, ich habe echt keine Lust, mit dir jetzt über meine Mutter zu diskutieren – ehrlich gesagt, ist es das Letzte, was ich will.“
„Wow.“ Anna hebt die Hände. „Wer wird denn da gleich so aggressiv! Die Sache mit Jim nimmt dich ganz schön mit, was?!“
„Ja, weil ich nicht weiß, wie ich damit umgehen soll“, gestehe ich. „Eigentlich hätte ich die Polizei holen und den Typen hochkant aus der Wohnung schmeißen müssen, und stattdessen hole ich ihn mir als neuen Mitmieter in meine Wohnung. Das ist doch nicht normal.“
„ Das sind die Hormone, die aus dir gesprochen haben.“ Anna lacht. „Sara, wenn du mich fragst, und das hast du, dann solltest du dich einfach mit der Situation abfinden.“
„Na toll! Und mit einem wildfremden Mann unter einem Dach wohnen!“
„Ja, aber du hast doch eh nach einem Nachmieter gesucht“, sagt Anna.
„Nachmieterin“, verbessere ich sie.
„Na gut, von mir aus auch Nachmieterin. Ich finde, es hätte dich schlimmer treffen können, als deine Wohnung mit einem derart gut aussehenden Mann zu teilen.“
„Das sieht Florian aber ganz anders“, sage ich.
„Ach der“, winkt Anna ab. „Der alte Spießer! Der findet niemanden gut, egal, wer es ist.“
„Mhm.“
„Versuch es doch einfach, und, wenn du merkst, dass es absolut nicht geht, kannst du ihn immer noch im hohen Bogen rausschmeißen“, schlägt Anna vor.
„Du willst doch nur, dass Jim bleibt, weil du scharf auf ihn bist.“
„Vielleicht!“ Anna zwinkert mir zu.
„Du weißt, dass ich Florian erzählt habe, Jim sei schwul?“
„Nee! Nicht dein Ernst?“ Anna bricht in lautes Gelächter aus.
„Doch.“ Ich nicke und werde rot. „Was sollte ich machen? Du kennst doch Florian, wenn es um andere Männer geht! Das war meine einzige Chance, heil aus der Sache rauszukommen. Allerdings habe ich jetzt ein ganz anderes Problem.“
„Das hätte ich dir gar nicht zugetraut“, sagt Anna noch immer lachend.
Ich zucke mit den Achseln. „Reiner Überlebenswille. Seit ich unter Susanne arbeite, bin ich darin richtig gut geworden.“
„Sieht ganz danach aus“, sagt Anna und klopft mir auf die Schulter. „Das wird schon. Du wirst sehen.“
„Hoffentlich.“ Ich gebe mich geschlagen.
Nachdem Anna gegangen ist, setzen Jim und ich uns ins Wohnzimmer.
„Pass auf, du kannst das leer stehende Zimmer von Lisa haben, bis du eine eigene Wohnung gefunden hast“, sage ich. „Über die Miete reden wir noch.“
„Miete?“
„Ja natürlich. Hast du gedacht, du kannst hier umsonst wohnen?“
„Du willst Gold?“
„Na ja, du kannst mich natürlich mit Gold bezahlen, aber Euros würden es auch tun“, entgegne ich.
Jim lächelt zufrieden. „Dein Wunsch ist mein Befehl.“
„Hast du irgendwelche Sachen?“
Verständnisloser Blick.
„Na, jeder hat doch ein paar Dinge. Klamotten, Möbel, Bücher ... irgendwas?!“
„Nein, materielle Dinge sind vergänglich. Besitz macht unfrei. Alles, was ich zum Leben brauche, schenkt mir das Leben selbst.“ Meine Güte, der Typ könnte glatt Philosoph sein. Noch mehr solcher Sprüche und ich hole meinen Notizblock heraus. Das Buch würde ein glatter Bestseller werden.
„Mhm, vielleicht. Aber ich würde nur ungern auf meine Sachen verzichten“, sage ich nach kurzer Überlegung. „Schließlich habe ich dafür gearbeitet.“
„Würdest du keine Besitztümer haben wollen, müsstest du nicht arbeiten ...“
„... und würde auf der Straße sitzen, genau wie du“, vollende ich seinen Satz. Meine Miete kann ich mir bestimmt abschminken. Der Typ besitzt offenbar keinen Cent! Na toll!
Er lächelt. Schnuckelig.
„Also, dann ist es abgemacht.“ Ich stehe auf. Jim folgt mir. Er hat die kleine rote Flasche in der Hand. Ich führe ihn in Lisas ehemaliges Zimmer, gleich neben der Küche.
Das Zimmer ist nur spärlich eingerichtet. Ein Regal, in dem meine Fünf Freunde -Bücher sorgfältig aufgereiht neben meinen alten Jugendbüchern stehen. Lisas alte Matratze (was sind das nur für braune Flecken?) und ein kleiner Tisch. Die Wände sind lila gestrichen und sehen renovierungsbedürftig aus. Von der Decke baumelt ein roter Lampenschirm. Eigentlich wollte Lisa das Zimmer renovieren, aber dann ging alles so schnell, dass sie es vergessen
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