Gluecksstern mit Schwips
dann fängt er sich aber wieder.
Ich gehe auf die Knie und entrolle meinen Entwurf. Rainer s Augen folgen mir. Ich drehe das Papier auf den Kopf, sodass er es erkennen kann.
„Ich weiß, die Idee ist ziemlich gewagt, aber ich dachte, wir probieren mal etwas Neues – Innovatives“, fange ich an.
„Warum bekomme ich den Entwurf erst jetzt zu sehen?“, blafft mich Rainer an und klappt die Beine nach unten. Ich mache einen Hechtsprung zur Seite, um nicht getroffen zu werden.
Rainer richtet sich vor mir auf. Seine Haare sehen aus, als hätte es sich ein Vogel darin gemütlich gemacht. Langsam nimmt sein Gesicht wieder eine normale Farbe an.
„Weil ... weil sich Susanne für einen anderen Entwurf entschieden hat“, stottere ich. „Es tut mir leid.“ Hektisch fange ich an, den Entwurf wieder zusammenzurollen. „Ich hätte dich nicht damit belästigen sollen. Aber ich dachte, weil der Kunde nicht zufrieden ist, wäre mein Entwurf vielleicht ...“ Ich schüttele den Kopf. „Das war dumm von mir ...“
Rainer starrt mich mit zusammengekniffenen Augen an. „Ja“, sagt er schließlich. Mein Magen krampft sich schmerzhaft zusammen. „Es war dumm von dir, nicht gleich zu mir zu kommen.“
Waaaas? Das Herz schlägt mir bis zum Hals. Meine Hände zittern.
„Der Entwurf ist absolut genial!“ Über Rainers Gesicht huscht ein Leuchten. „Das ist die beste Idee, die ich seit Langem zu Gesicht bekommen habe. Mensch ...“ Er schlägt mit der Faust auf den Tisch. „Äh ...“
„Sara.“
„… Sara, das ist es, worauf ich gewartet habe.“ Rainer drückt eine Taste auf dem Telefon. Ich halte vor Spannung die Luft an. „Beate, komm sofort in mein Büro und hol mir Herrn von Bergau von Frostbeule an den Apparat.“
„Ja … sofort, Rainer“, scheppert Beates Stimme durch den Lautsprecher.
Tänzelnd gehe ich zurück zum Maulwurfshügel . Ich habe das Gefühl, auf einer rosaroten Wolke zu schweben. Ich kann es nicht fassen, dass Rainer mein Entwurf wirklich gefallen hat!
Bevor ich unser Büro betrete, lege ich eine ernste Miene auf und lasse meine Schultern hängen. Diesen kleinen Spaß gönne ich mir jetzt.
„Und wie war‘s?“ Melanie sieht mich erwartungsvoll an.
Ich mache ein traurige s Gesicht. „Du bist schuld.“
„Waas?“ Melanies Gesichtszüge entgleisen. „Woran?“
„Dass Frostbeule eine neue Kampagne hat!“
„Nein!“, schreit Melanie und springt auf. „Das glaube ich nicht!“
„Doch!“, lache ich. „Rainer hat bereits mit Frostbeule gesprochen, und die sind von meiner Idee begeistert!“
„Ich wusste es!“ Melanie fällt mir um den Hals. „Du bist einfach genial!“
„Rainer war völlig von der Idee begeistert und hat uns die Verantwortung für die Kampagne übertragen. Ist das nicht irre?!“, quietsche ich.
„Uns?“ Melanie hält kurz inne.
„Na klar! Schließlich hätte ich ohne dich nie den Mut gehabt, zu Rainer zu gehen“, sage ich. „Wir beide werden zusammen die neue Frostbeulen -Kampagne leiten.“ Melanie fällt mir lachend um den Hals.
„Und Susanne?“, fragt Melanie.
„Susanne ist bis auf Weiteres krankgeschrieben“, zucke ich mit den Achseln. „ Um die brauchen wir uns keine Sorgen zu machen.“
„Und womit fangen wir an?“
„ Frostbeule möchte bereits nächste Woche mit den Aufnahmen für die Kampagne beginnen. Das bedeutet, dass wir heute noch die Models buchen müssen. Die Agentur ist bereits informiert und schickt uns eine geeignete Auswahl an Models zu.“
„Und was soll ich dabei machen?“
„Ich dachte mir, dass du dich um die Models kümmerst, während ich mit dem Fotografen spreche.“
„Geht klar , Meister“, kichert Melanie und macht eine kleine Verbeugung.
„Blöde Kuh!“, lache ich und greife nach dem Telefonhörer.
Als ich nach Hause komme, ist die Wohnung leer. Von Jim keine Spur. Ich bin ein wenig enttäuscht. Ich hatte mich schon gefreut, Jim von meinem Erfolg im Büro zu erzählen. Naja, damit werde ich wohl bis später warten müssen. Missmutig packe ich meine Sachen für den Sport.
Ich bin seit längerem Mitglied in einem der angesehensten Fitness clubs in Hamburg. Dieses Zentrum der modernen Folter ist ein äußerst beliebter Singletreff und sorgt immer wieder für Gesprächsstoff bei meinem Mädelsstammtisch. Man muss dazu sagen, dass ich den Club nicht aus Spaß an der körperlichen Ertüchtigung oder zur Partnersuche aufsuche – nein! Ich gehe nur zum Sport, um mein schlechtes Gewissen
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