Gluecksstern mit Schwips
als ich die Tür hinter mir schließe.
Susannes B üro erinnert an eine Kommandozentrale. Ihr Schreibtisch ist mit Zetteln nur so gespickt. An den Wänden hängen Plakate von Kampagnen, an denen sie mitgearbeitet hat. Im Gegensatz zu unserem Büro ist dieses hell und freundlich eingerichtet. Außerdem hat Susanne einen Wahnsinnsblick über die Skyline von Hamburg. Wie ungerecht!
Ich gehe zum Schreibtisch – ein Musterstück der modernen Designerkunst aus hochwertigem Kunststoff und Stahl. Mich erinnert das gute Stück mehr an eine Arztpraxis, aber Geschmäcker sind ja bekanntlich verschieden. Tatsächlich befindet sich dort besagte Schublade. Ich ziehe daran. Leider Fehlanzeige. Die Schublade ist abgeschlossen. Ich lasse meinen Blick über den Schreibtisch schweifen, in der Hoffnung, einen Hinweis auf meinen Entwurf oder den Schlüssel zu finden. Nur unwichtige Korrespondenz. Mist!
Ach, was sehen meine Äuglein denn da ... ist das etw a .. . Susannes Planer?! Tatsächlich! Dieses schwarze Büchlein würde ich überall erkennen. Seit ich denken kann, schleppt Susanne ihren Planer mit sich herum, wie ein Ritter sein Schwert. Bei jedem Meeting macht sie sich Notizen. Niemals würde sie ihn freiwillig irgendwo liegen lassen. Wahrscheinlich hat sie ihn in der ganzen Aufregung vergessen. Ob ich vielleicht einen klitzekleinen Blick hineinwerfen sollte? Schließlich könnten darin wichtige Informationen stehen. Meine Hände zittern, als ich den Planer in die Hand nehme. Nicht nur, dass ich einen kriminellen Irren beherberge – nein, jetzt werde ich selbst noch straffällig. Was ich hier mache, ist astreiner Hausfriedensbruch!
Mein Herz schl ägt mir bis zu den Ohrläppchen, als ich die erste Seite in Susannes Planer aufschlage. Ein kleiner Zettel fällt heraus. Das ist wieder mal typisch für mich. Kaum nehme ich etwas in die Hand, geht es verloren oder kaputt. Ich schlage den Planer mit einem Ruck wieder zu – Upps! Der Planer rutscht mir aus der Hand und fällt zu Boden. Mist! Überall auf dem Teppich liegen Zettel mit Susannes Notizen und Visitenkarten verstreut. Fluchend lasse ich mich auf meine Knie fallen. Und beginne, alles einzusammeln.
Ich will gerade die letzten Zettel in den Planer schieben, als mein Blick auf etwas Silbernes unter Susannes Stuhl fällt ... Hastig stopfe ich einen Zettel in meine Tasche. Was ist das? Mein Herz klopft im Akkord. Ich strecke mich wie eine Katze und schiebe meine Hand unter den Stuhl. Ahhhhh ...! Als ich den Arm zurückziehe, halte ich einen kleinen Schlüssel in der Hand. Ich richte mich auf. Mit zittrigen Fingern stecke ich den Schlüssel in das Schloss. Bingo! Mit einem leisen Klick springt die Schublade auf.
Ganz oben auf liegt mein Entwurf. Am liebsten w ürde ich laut aufschreien vor Freude, kann mich aber angesichts meiner derzeitigen Lage gerade noch beherrschen. Plötzlich sind vor der Tür Stimmen zu hören. Instinktiv ducke ich mich und lausche mit angehaltenem Atem. Eine Männerstimme brummelt leise, gefolgt von Melanies perligem Lachen. Ingo? Ingo arbeitet in unserem Team. Er ist eigentlich ganz nett, wenn man von den Hasenzähnen mal absieht. Gebannt starre ich auf die Tür, in der Hand die Entwürfe. Wenn mich jetzt jemand sieht, bin ich erledigt! Die Türklinke bewegt sich nach unten. Scheiße! Ich bin geliefert! Ich kauere mich hinter den Schreibtisch. Melanies Stimme dringt durch die Tür, diesmal tiefer und leicht rauchig. Ingos Stimme klingt geschmeichelt. Leider kann ich kein Wort von dem verstehen, was die beiden vor der Tür sagen. Melanie kichert, gefolgt von Ingos Lachen. Plötzlich entfernen sich die Stimmen.
Ich warte noch eine gef ühlte Ewigkeit, dann atme ich erleichtert durch. In der Hand halte ich noch immer den Entwurf. Ohne zu zögern, lasse ich ihn zwischen den Akten verschwinden. Dann stehe ich auf. Ein letzter Blick. Alles sieht aus wie vorher.
Ich schleiche auf Zehenspitzen zur T ür und lege mein Ohr gegen das warme Holz. Nichts. Keine Stimmen. Vorsichtig drücke ich die Klinke nach unten. Mit einem leisen Klacken springt die Tür auf. Ich öffne die Tür eine Handbreit und schiele nach draußen.
Wo steckt eigentlich Melanie, die bl öde Kuh? Warum hat sie nicht gepfiffen?
Egal. Nur raus hier. Ich schl üpfe durch die Tür. Das Absperrband baumelt lose am Rahmen. Nachdem ich die Tür hinter mir wieder verriegelt habe, drehe ich mich um und will gerade den Flur entlang zurück in unser Büro gehen, als ich aus dem Augenwinkel
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