Glut der Herzen - Roman
Sekunden, ehe sie die Bedeutung des Gesagten erfasste. Dann aber traf die schreckliche Erkenntnis sie mit voller Wucht.
»Sie kennen meinen Namen?«, hauchte sie.
»Ich bin Direktor des Konsortiums«, sagte er knapp. »Ich weiß alles, was sich auf den Straßen Londons tut. Und Sie, Mrs Pyne, waren in letzter Zeit auf diesen Straßen sehr aktiv.«
4. KAPITEL
Er sah ihr an, dass er ihr einen schweren Schock versetzt hatte. Ihre Beherrschung war bewundernswert. Sie zuckte nur kaum spürbar zusammen, doch er registrierte, dass sie gegen Panik ankämpfen musste. Er hatte es übertrieben, was ihm gar nicht ähnlich sah.
»Ich bitte um Entschuldigung, Mrs Pyne«, sagte er. »Sie zu erschrecken war das Allerletzte, was ich wollte.«
»Ich kann nicht glauben, dass Mr Pierce Ihnen meinen Namen nannte«, sagte sie. Äußerlich wirkte sie nun wieder ganz gefasst. »Ich dachte, ich könnte ihm trauen.«
»Das können Sie auch. Ich stellte fest, dass auf Pierce die Wendung, ›ein Mann ein Wort‹ zutrifft.« Er lächelte leicht. »Oder sollte ich sagen, eine Frau ein Wort?«
»Sie kennen auch Pierces Geheimnisse?« Adelaides Ton verriet ihre Verblüffung.
»Nun, ich weiß, dass Pierce eine Frau ist, die sich für ein Leben als Mann entschied. Wir begegneten einander vor Jahren. Als früh verwaistes Mädchen landete sie auf der Straße und lernte rasch, dass Jungenkleidung ihr nicht nur mehr Sicherheit bot, sondern ihr auch mehr Macht verlieh. Wie wurden sie mit ihr bekannt?«
»Wir lernten uns kennen, als ich mit meiner Arbeit für die jungen Straßenmädchen begann«, sagte Adelaide,
»Pierce und sein Gefährte, Mr Harrow, interessieren sich für mein Mädchenheim. Als ich von meinen Plänen sprach, Bordelle zu überfallen, um die Aufmerksamkeit der Presse zu wecken, bot Mr Harrow seine Hilfe an. Er motivierte auch zwei Mitglieder des Janus-Clubs, behilflich zu sein. Kennen Sie den Klub, Sir?«
»Ja, Pierce gründete ihn vor Jahren, Mitglieder sind Frauen, die als Männer leben. Ich nehme an, die Freiwilligen aus dem Klub sind diejenigen, die die Mädchen fortschaffen, wenn Sie Feueralarm gegeben haben und alle aus den Häusern stürmen.«
»Ja, das stimmt. Woher wissen Sie so viel über Mr Pierce?«
»Im Laufe der Jahre fanden wir heraus, dass eine Allianz von beiderseitigem Nutzen sein kann.«
»Mir ist klar, dass Sie beide zu gewissen Arrangements und Übereinkommen bezüglich der zahlreichen undurchsichtigen Unternehmungen gelangen mussten, in die Sie involviert sind. Ein offener Krieg hätte keinem von Ihnen genützt.«
Er entdeckte zu seiner Überraschung, dass ihm die Verachtung in ihrem Ton missfiel. Er hatte geglaubt, über die Meinung anderer längst erhaben zu sein, doch Adelaide Pynes unverkennbare Missbilligung ärgerte ihn aus irgendeinem Grund.
»Finden Sie Ihre Ansicht nicht ein wenig heuchlerisch, Mrs Pyne?«
»Wie bitte?«
»Sie sind eine Dame, die vor Geschäften mit Verbrecherbossen nicht zurückschreckt. Wieso tun Sie das?«
Er hörte, dass sie rasch Atem holte, und wusste, dass er einen Treffer erzielt hatte. Was zum Teufel war nur mit ihm los? Er brauchte ihre Hilfe. Spitze Bemerkungen waren nicht der klügste Weg, dieses Ziel zu erreichen.
»Eines möchte ich klarstellen, Sir«, sagte sie. »Ich bin eine Allianz mit einem speziellen Verbrecherboss, mit Mr Pierce, eingegangen, aber nicht mit Ihnen oder anderen aus der Branche.«
»Ich korrigiere mich also«, antwortete er. »Eine einzige Allianz mit einem Verbrecherboss.«
»Apropos Pierce, Sie behaupten, er hätte meine Identität nicht verraten. Wie sind Sie denn dann dahintergekommen?«
»Ihre Überfälle sind eine Sensation, die nicht nur in der Presse, sondern auch auf der Straße diskutiert wird. Gerüchte wollten wissen, dass einige der jungen Prostituierten, die in den letzten Monaten verschwanden, kurz nach dem Besuch eines gewissen Wohlfahrtsheims an der Elm Street plötzlich unauffindbar waren. Meine Ermittlungen ergaben, dass das Haus, das bis vor Kurzem mit finanziellen Nöten zu kämpfen hatte, dank einer neuen, anonymen, als Witwe bekannten Wohltäterin neuen Auftrieb bekommen hatte.«
»Ihre Ermittlungen führten Sie direkt zu mir?« Sie war verblüfft. »War es wirklich so einfach, meine Identität herauszufinden?«
»Sie haben Ihre Verbindung zu dem Heim sehr gut getarnt. Pech für Sie, dass es relativ einfach ist, Geldflüsse zu verfolgen, selbst wenn ein bestimmtes Individuum seine Anonymität zu wahren
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