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Glut und Asche

Glut und Asche

Titel: Glut und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Meruhe sagte: »Ich hoffe, du wirst ihn nicht brauchen.«
    »Weil sie uns einfach so hier herausspazieren lassen?«, fra g te Andrej spöttisch.
    »Vermutlich«, sagte Meruhe ernsthaft. »Die wenigen, die mehr als Luft zwischen ihren Ohren haben, sind längst gefl o hen, und ein paar Dummköpfe sind geblieben und versuchen, dieses G e bäude zu retten. Aber es wird ihnen nicht gelingen. Das Newgate-Gefängnis wird niederbrennen. Es ist nicht sch a de darum.«
    Andrej schlang den Mantel enger um seine Schultern und versuchte, den Säbel unter seinen Gürtel zu schieben, bemerkte aber dann, dass er ihn schon längst nicht mehr hatte. »Wie sieht es draußen aus?«, fragte er.
    »Schlimm«, antwortete Abu Dun. »Das Feuer ist außer Ko n trolle geraten. Halb London steht in Flammen und was mit der anderen Hälfte ist, vermag noch niemand zu sagen.«
    Andrej war nicht überrascht, und wenn, dann allenfalls über das Ausmaß der Verheerung, von der Abu Dun ihm berichtet hatte.
    »Und die Gefangenen?«, fragte er.
    »Sitzen noch in ihren Zellen«, antwortete Abu Dun mis s trauisch. »Warum?«
    »Weil wir sie befreien müssen«, sagte Andrej.
    Abu Dun seufzte, verdrehte demonstrativ die Augen und seufzte noch einmal. Aber er sparte sich auch die Mühe, nur mit e i nem Wort zu protestieren.

Kapitel 15
     
    Di e Zelle, die zu einem so unendlichen Quell der Pein für Ihn geworden war. lag ganz am Ende eines langen, fensterlosen Ganges, In dem es mindestens ein Dutzend schmaler und übe r aus massiv wirkender Türen ganz ähnlich der gab, deren mit rostigen Elsenbändern verstärkte Rückseite er endlose Stunden lang angestarrt und sich dabei nichts anderes als den Tod g e wünscht hatte. Es gab nur eine einzelne, halb heruntergebrannte Fackel, deren Licht kaum ausgereicht hätte, die niedrige, ruß geschwärzte Decke zu erreichen, doch die meisten Türen sta n den offen, und zumindest hinter denen zu Ihrer Linken loderte dasselbe rote Höllenlicht, das auch seine eigene Zelle erleuchtet hatte. Auch hier draußen war die Luft mittlerweile so heiß und stickig, dass er kaum noch atmen konnte, und er spürte die Hi t ze, die die Wand ausstrahlte, selbst durch seine zerschlissene Kleidung und Meruhes Mantel hindurch.
    Dennoch (und unbeschadet der Tatsache, dass er sich an n a hezu jedem Riegel die Finger verbrannte) öffnete er jede ei n zelne Tür. um einen raschen Blick In die Zelle dahinter zu we r fen. In den winzigen Zellen herrschten mittlerweile Temperat u ren, die selbst Ihn um ein Haar umgebracht hätten. Sie fanden einen einzigen, an die Wand geketteten Toten und Irgendetwas sagte Ihm, dass es nicht das Feuer war, das Ihn umgebracht hatte.
    Er öffnete auch jede Tür auf der anderen Seite, nur um zu demselben Ergebnis zu kommen: Mit Ausnahme eines vermu t lich seit Tagen Toten war er offenbar der einzige Bewohner des Kellergeschosses gewesen. Diese Erkenntnis hätte Ihn beruh i gen sollen. Aber sie tat es nicht.
    Vielleicht lag es an den verzweifelten Schreien, die In seinen Ohren gellten.
    Sie kamen von oben, dem von flackerndem Rot erhellten Ende der Treppe, In die der Gang mündete.
    Hintereinander und angeführt von Abu Dun, der wie ein l e bender Rammbock die Treppe h i naufwalzte und allein durch seine schiere Masse jeden Angreifer In die Flucht geschlagen hätte, liefen sie die Treppe hinauf und fanden sich unversehens Im Vorhof der Hölle wieder.
    Das Licht, das sie empfing, war vom unteren Ende der Tre p pe aus betrachtet rot gewesen, schien jedoch seine Farbe Im gle i chen Maße zu verändern, In dem sie sich Ihm nun näherten, und wurde weiß, als Andrej schließlich hinter Abu Dun hinau s trat, durchbrochen von grellen Blitzen aus Gelb und bösartig flackerndem Orange. Trümmer regneten von der Decke, und übe r all loderten Flammen. Hier und da war der Rauch so dicht, dass er sich wie eine lebende schwarze Wand zu erheben schien. Andrej konnte nicht mehr unterscheiden, ob das Kre i schen und Schrillen In seinen Ohren der Höllenlärm der Fla m men und des sterbenden Gebäudes war oder aus menschlichen Kehlen kam. Vielleicht beides. Überall war Bewegung, so schnell und u n koordiniert, dass er den Orientierungssinn verlor und nicht mehr gewusst hätte, wohin er sich wenden sollte, hä t te Meruhe ihm nicht einen so derben Stoß zwischen die Schu l terblätter versetzt, dass er um ein Haar von den Füßen gerissen wurde und haltlos weiterstolperte. Flammen hieben aus allen Richtungen nach ihnen, ganze Teile

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