Glut und Asche
erstr e cken. Frederic und seine beiden Peiniger waren gerade lange genug im Blickfeld, um sie auf einer weiteren Treppe ve r schwinden zu sehen.
Zum ersten Mal fragte sich Andrej, wohin die beiden Unb e kannten eigentlich wollten. Die beiden unteren Stockwerke des Gefängnisses brannten bereits lichterloh, und es war nur noch eine Frage der (sehr knappen) Zeit, bis das Feuer auch auf die oberen Etagen übergegriffen haben würde. Selbst hier oben war die Hitze kaum noch zu ertragen und auch das Dach bot keine Rettung. Der klobige Turmbau ragte mehr als hundert Fuß weit in die Höhe, ein Sprung, den kein Sterblicher...
Dann begriff er, lauschte einen halben Atemzug lang in sich hinein und verfluchte sich dann selbst. Die beiden Gestalten über ihm waren keine Sterblichen. Es waren Vampyre, und er spürte die Anwesenheit mindestens eines weiteren Vampyrs noch ein gutes Stück über ihnen. Wie hatte ihm das entgehen können?
Und was wollten sie von Frederic?
Er fand weder auf die eine noch auf die andere Frage eine Antwort, zog aber im Rennen den Säbel, den Abu Dun ihm g e geben hatte, und wappnete sich, während er die nächste Treppe hinaufstürmte, gegen einen Hinterhalt oder einen plötzlichen Angriff. Doch auch diese Treppe war leer; ebenso wie die nächste, die zum Dach des Gefängnisturms hinaufführen mus s te: Er sah einen rechteckigen Ausschnitt des Nachthimmels, der im düsterroten Widerschein zahlloser Brände glühte. Drei. Er spürte jetzt die Gegenwart von drei Vampyren, aber seltsame r weise ließ ihn diese Erkenntnis vollkommen kalt. Drei geübte Schwertkämpfer - selbst wenn es sich um sterbliche Menschen gehandelt hätte - waren selbst für ihn eine ernst zu nehmende Herausforderung. Gegen drei nahezu unsterbliche Gegner hatte er kaum eine Chance.
Dennoch verspürte er keine Furcht und zögerte nicht einmal im Geringsten. Meruhes geliehene Kraft war größer denn je in ihm, und er wusste einfach, dass er selbst drei Gegnern seiner eigenen Art nicht nur gewachsen war, sondern dass er sie schlagen würde. Er fühlte sich unbesiegbar und stärker als j e mals zuvor in seinem Leben. Auch seine Sinne arbeiteten mit einer nie g e kannten Schärfe. Er fühlte die beiden Vampyre, die rechts und links der Tür über ihm lauerten, so deutlich, als könnte er sie sehen, lief noch einmal schneller und wandte die übermensc h lich scharfen Sinne der beiden Geschöpfe gegen sie selbst, i n dem er sein Herz mit einer kurzen Anstrengung zwang, nicht weiterzuschlagen, und die letzten fünf Stufen mit einem einz i gen Satz überwand, was sie verwirren musste, denn für sie musste es so sein, als wäre er einfach verschwunden.
Natürlich bemerkten sie ihren Fehler sofort, aber da war es bereits zu spät. Andrej hechtete mit einem gewaltigen Satz zwischen ihnen hindurch auf das Dach hinaus, kam mit einer Rolle wieder auf die Füße und schlug noch im Herumwirbeln mit dem Säbel zu.
Er traf, wenn auch nicht perfekt, was am ungewohnt geri n gen Gewicht der Waffe liegen mochte: Die rostige Klinge durchtrennte die Kehle des Vampyrs und ließ ihn zurückta u meln und röchelnd in die Knie brechen, während er qualvoll vergebens nach Luft rang, aber er enthauptete ihn nicht. De n noch verschaffte ihm der Hieb genug Zeit, erneut herumzufa h ren und auch dem zweiten Vampyr eine für ihn zwar harmlose, aber sicher sehr schmerzhafte Stichwunde in der Brust zuzuf ü gen. Noch aus der gleichen Bewegung heraus fuhr er abermals herum, wechselte den Säbel blitzschnell in die andere Hand und zog die Klinge über den Unterarm des dritten Angreifers, der mit einem keuchenden Schmerzenslaut zurücktaumelte und seine Waffe fallen ließ. Ihrer aller Bewegungen kamen ihm schon beinahe läche r lich langsam vor, genauso langsam und plump, wie ihm bisher die normaler Sterblicher vorgekommen waren. Meruhe hatte ihn zwar gewarnt, dass ihre geliehene Stärke nicht lange vo r halten würde, aber seine Kraft schien mit jeder Sekunde nur noch weiter zuzunehmen.
»Das war wirklich beeindruckend, Andrej«, sagte eine Stimme hinter ihm.
Andrej fuhr herum, hob den Säbel und erstarrte, als er Fred e ric erblickte.
Er stand vier oder fünf Schritte hinter ihm. Seine Kleider waren angesengt, aber niemand hielt ihn fest, und der Ausdruck auf seinem Gesicht war auch nicht Furcht, sondern der eines bösen Triumphs. Es war eine Falle gewesen. Aber das hatte er schließlich gewusst.
»Du hast eine Menge dazugelernt, seit wir uns das letzte Mal
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