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Glut und Asche

Glut und Asche

Titel: Glut und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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der Decke brachen herunter und stürzten als tödlicher Trü m merregen zu Boden, und die zuckenden Flammen waren nicht der einzige Quell von ve r meintlicher Bewegung. Überall lagen brennende Körper, die in der Hitze zuckten, als wäre noch i m mer ein Rest von Leben in ihnen, das sich in entsetzlicher Qual aufbäumte.
    Andrej schickte ein Stoßgebet zum Himmel, dass es nicht so war Er war fast blind und noch immer so gut wie orienti e rungslos, aber er sah Abu Dun hektisch gestikulieren, der genau zu wissen schien, wo der rettende Ausgang lag.
    Auf halbem Weg stolperte er über einen reglosen Körper, der so stark verkohlt war, dass man nicht mehr erkennen konnte, ob es sich um einen Soldaten oder einen ehemaligen Insassen des Gefängnisses handelte. Abu Dun riss ihn derb mit einer Hand wieder auf die Füße, gestikulierte mit der anderen in das tobe n de weiße Chaos vor ihnen und schrie etwas, das im Prasseln der Flammen unterging. Andrej sah nur seine Lippenbewegungen, versuchte sich ein Nicken abzuringen und stolperte weiter, b e vor Meruhe die Gelegenheit nutzen und ihm in ihrer Ungeduld womöglich noch ein paar Rippen brechen konnte.
    Sie stolperten durch eine Tür; deren Rahmen nicht mehr aus Holz, sondern aus Flammen bestand, einen weiteren Gang en t lang, der von offen stehenden, leeren Zellen flankiert war und schließlich in eine niedrige, aber weitläufige Halle, die zu e i nem offen stehenden, zweiflügeligen Tor führte. Auch dahinter loderte Feuer; doch seine an die gleißende Helligkeit hier dri n nen gewöhnten Augen nahmen nur vollkommene Schwärze wahr, in der es gelegentlich düsterrot aufzuckte.
    Wieder regneten Trümmer von der Decke. Ein brennender Holzscheit traf Abu Duns Schulter und ließ ihn straucheln, und diesmal war es Andrej, der ihn auffing. Meruhe bedeutete ihnen fast verzweifelt mit beiden Armen, sich zu beeilen, aber auch ihre Worte gingen in einem beständig lauter werdenden Brüllen und Fauchen unter, das aus allen Richtungen zugleich zu ko m men schien. Doch darunter waren auch noch immer menschl i che Stimmen zu vernehmen, die verzweifelten Schreie der G e fangenen, die in ihren Zellen eingeschlossen waren und einem ebenso sicheren wie qualvollen Tod ins Auge sahen.
    Nach einem guten Dutzend Schritte erreichten sie das Tor; und Andrejs Herz machte einen entsetzten Satz in seiner Brust, als er sah, wie sich die gewaltigen Deckenbalken darüber unter dem Gewicht der auf ihnen lastenden Decke durchzubiegen begannen. Sie würden es schaffen, aber nur im allerletzten Moment. Die ersten Steine lösten sich bereits aus der Decke und fielen krachend rings um sie herum zu Boden, als sie hi n durch stürmten.
    Keuchend blieb Andrej stehen, sog die eiskalte Luft in die Lungen und suchte nach einem Wort des Dankes, als hinter i h nen ein gellender Schrei erklang, der scharf wie ein Messer durch das Tosen der Flammen des sterbenden G e bäudes schnitt.
    Dann rief eine verzweifelte Stimme laut seinen Namen. »Andrej! Hilf mir!«
    Bei dem infernalischen Lärm war es unmöglich zu erkennen, wer ihn rief, aber er wusste es trotzdem, ebenso wie er den ve r schwommenen Umriss inmitten der tobenden Feuersbrunst auf der anderen Seite des Tores erkannte, obwohl er sich in der gleißenden Helligkeit zu winden und aufzulösen schien wie ein trockenes Blatt im Schmiedefeuer des Teufels. Frederic. Es war Frederic, und er schrie vor Schmerzen und Furcht. Du warst nicht da, Andrej. Als ich dich am meisten gebraucht hätte, warst du nicht da.
    »Andrej!«, schrie Abu Dun. »Wir müssen weg! Der ganzeTurm bricht zusammen!«
    Er griff nach Andrejs Arm und wollte ihn fortziehen, doch dieser schüttelte seine Hand ab und machte ganz im Gegenteil wieder einen Schritt auf das brennende Gefängnis zu. Andrej! Hilf mir! Lass mich nicht schon wieder im Stich!
    Glaub ihm nicht, Andrej, sagte Meruhe. Er lügt. Es ist eine Falle. Eher beiläufig registrierte er, dass Meruhes Stimme d i rekt in seinen Gedanken erklang, ebenso wie die Frederics z u vor Natürlich log er, und natürlich war es eine Falle - glaubte sie denn wirklich, er wüsste das nicht?
    Aber dieses Wissen nutzte ihm nichts.
    Er streifte Abu Duns Hand ein zweites Mal ab, rang noch e i nen winzigen Moment mit sich selbst - und stürmte los.
    Abu Duns entsetzter Schrei ging in dem dumpfen Krachen und Poltern unter, mit dem nicht nur das Tor, sondern auch ein Gutteil der gesamten Vorderfront des Newgate-Gefängnisses z u sammenbrach. Es war unmöglich.

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