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Glut und Asche

Glut und Asche

Titel: Glut und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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schon wieder etwas in ihm regte. Meruhe schüttelte den Kopf und machte einen raschen Schritt zur Seite. »Nichts da«, sagte sie spöttisch. »Dafür ist jetzt keine Zeit.«
    »Du hattest mir versprochen, meine Gedanken nicht mehr zu lesen«, erinnerte Andrej sie.
    »Das tue ich auch nicht. Aber ich habe Augen, um zu sehen ... oder wenigstens eins.«
    »Oh.«
    Meruhe bückte sich nach ihrem Mantel, legte ihn an und band sich als Letztes den Schwertgurt um. »Ich gehe hinunter«, sagte sie, »um nach Abu Dun und meinen Dienerinnen zu s e hen. Ruh dich ruhig noch ein wenig aus. Du fühlst dich jetzt vielleicht stark, aber du solltest dich nicht überschätzen.«
    Sie ging, bevor er antworten konnte, und Andrej blieb allein zurück, starrte die geschlossene Tür hinter ihr an und dachte über ihre Worte nach. Er fühlte sich nicht stark, sondern ganz im Gegenteil auf eine sonderbar wohltuende Art matt und be i nahe schon schläfrig. Mit bangem Herzen lauschte er in sich hinein, suchte nach etwas Neuem und Fremdem, das nicht dor t hin gehörte, aber da war nichts.
    Was hast du erwartet?, fragte er sich selbst. Dass plötzlich ein neues Bewusstsein in ihm war. fremde Erinnerungen, eine neue Art zu denken oder sonst irgendein Unsinn? Wohl kaum.
    Er schüttelte den Kopf über seine eigenen Gedanken, stand auf, band den schweren Ledergürtel mit Gunjir um die Hüften und bückte sich nach seinem Mantel. Erst jetzt spü r te er, dass sich doch etwas verändert hatte. Er hatte es nur nicht sofort g e merkt, weil er nach dem Falschen gesucht hatte. In ihm war nichts Neues erschienen. Aber etwas Altes war nicht mehr da.
    Das Ungeheuer war nicht mehr da.
    Sein dunkler Bruder schwieg. Das Gefängnis tief am Grunde seiner Seele, in das er die Gier und die Zerstörungswut des Vampyrs eingesperrt hatte, war verwaist. Der Vampyr war fort.
    Unten im Haus polterte etwas, dann vernahm er Abu Duns ebenso laute wie aufgebrachte Stimme, ohne die Worte verst e hen zu können. Hastig schloss er die schwere, mit Runen ve r zierte Gürtelschnalle aus Bronze, stieß die Tür auf und bückte sich unter dem niedrigen Sturz hindurch. Abu Duns Stimme wurde lauter. Wie er es erwartet hatte, platzte er direkt in einen heftigen Wortwechsel zwischen Abu Dun und der Nubierin. Beide bedienten sich einer Sprache, die Andrej nicht geläufig war, in der sich aber (zumindest Abu Duns rot angelaufenem Gesicht und seinem Tonfall nach zu schließen) offenbar ganz hervorragend fluchen ließ. Der Nubier hatte sich drohend vor Meruhe aufgebaut und gestikulierte aufgeregt mit beiden A r men, wie um die Worte aus der Luft zu pflücken, die er ihr entgegenschleuderte. Meruhe zeigte sich davon jedoch wenig beeindruckt - was möglicherweise auch an der Gegenwart ihrer beiden Dienerinnen lag, die reglos und mit versteinerten G e sichtern, aber zugleich auch höchst angespannt, hinter dem N u bier standen.
    Andrej räusperte sich laut, erntete aber nur einen zornigen Blick von Abu Dun. Schließlich trat er mit einem entschloss e nen Schritt zwischen die beiden ungleichen Kampfhähne, um wenigstens den direkten Blickkontakt zwischen ihnen zu unte r brechen.
    »Ich unterbreche euch ja nur ungern«, sagte er, »aber würdet ihr mir verraten, was los ist?«
    »Wie schön, dass dich das immerhin noch zu interessieren scheint«, blaffte Abu Dun, sichtlich dankbar, ein neues Opfer für seinen Zorn gefunden zu haben. »Ihr scheint euch ja präc h tig amüsiert zu haben. Ich hoffe, es hat wenigstens Spaß g e macht!«
    »Das hat es«, antwortete Andrej kühl. »Wenn du dich für Details interessierst, dann warte bitte, bis wir allein sind. Solche Männergespräche führt man nicht in Gegenwart einer Dame.«
    Abu Dun starrte ihn an, und selbst Meruhe runzelte kurz die Stirn, während Andrej sich fragte, warum er das eigentlich g e sagt hatte. Abu Dun hatte selbst einen manchmal derben Humor und würde ihm die Bemerkung an sich nicht übelnehmen. Aber es war der Ton, der es so schlimm machte. Er hatte Abu Dun mit diesen Worten verletzen wollen, und diese Absicht war u n überhörbar gewesen.
    »Was ist passiert?«, fragte er noch einmal und in bewusst sachlichem Ton. Gleichzeitig machte er einen Schritt zurück, um nicht mehr zwischen Abu Dun und Meruhe zu stehen.
    »Wir müssen weg«, antwortete Meruhe mit einer Geste auf die beiden nubischen Kriegerinnen; anscheinend die Überbri n gerinnen der schlechten Nachricht. »Ich fürchte, wir brauchen ein anderes Versteck für den Rest

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