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Glut und Asche

Glut und Asche

Titel: Glut und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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ich diese Kleinigkeit erledige?«
    »Ihr habt Gunjir«, fuhr Meruhe ungerührt fort. »Und das hier« Sie griff unter die Theke und zog einen mehr als han d langen Krummdolch hervor; dessen Griff mit genug Edelste i nen besetzt war; um halb London dafür kaufen zu können. Auf ihre auffordernde Geste hin nahm Abu Dun ihn in die Hand und zog ihn fast schon ehrfürchtig aus der prachtvollen Scheide, die die Klinge schützte. Sie war doppelseitig geschliffen, spitz wie eine Nadel und sah in Abu Duns gewaltigen Pranken eher wie ein Spielzeug aus, aber Andrej spürte auch die Gefahr, die von der Waffe ausging.
    »Gunjirs kleine Schwester?«, fragte Abu Dun.
    »Seine tödliche Schwester«, antwortete Meruhe. Sie schen k te Abu Dun einen langen, beredten Blick. »Täusch dich nicht, P i rat. Größe allein bedeutet gar nichts.«
    »Na, dann kann uns ja gar nichts mehr passieren«, grollte der Nubier und rammte den Dolch so fest in seine Umhüllung z u rück, dass Andrej fast um das kostbare Leder fürchtete. »Jetzt brauchen wir nur noch einen genialen Plan ... aber wie ich ve r mute, hast du auch den schon vorbereitet, nicht wahr?«
    »Ich hatte vor; sie hier zu empfangen«, erwiderte sie. »Meine Dienerinnen und ich haben ... gewisse Vorbereitungen getro f fen, aber ich fürchte, das Feuer hat meine Pläne zunichte g e macht . Wir werden uns ein neues Versteck suchen und impr o visieren müssen.«
    »Und wenn es genau das ist, womit sie rechnen?«, fragte Andrej.
    »Ich würde es jedenfalls«, fügte Abu Dun hinzu.
    »Ich auch«, gestand Meruhe. »Aber welche andere Wahl bleibt uns schon?«
    »Etwas zu tun, womit sie nicht rechnen«, antwortete Abu Dun. Er begann mit dem Dolch zu spielen. »Sie sind zu zweit und du allein. Sie haben ein Dutzend Krieger, du nur zwei. Ich frage mich: was wäre wohl das Verrückteste, das wir tun kön n ten?«
    »Sie anzugreifen«, sagte Andrej, dem längst klar war, worauf Abu Dun hinauswollte. Seine Gedanken bewegten sich auf ganz ähnlichen Pfaden.
    »Es wäre Selbstmord«, pflichtete Ihm Meruhe bei.
    Abu Dun grinste. »Eben.«

Kapitel 19
     
    S chon die Brücke zu überqueren war zu einem Albtraum geworden. Obgleich sie sich nun bereits seit etlichen Tagen in der Stadt aufhielten und dieses gewaltige Bauwerk zweifellos so etwas wie eines ihrer Wahrzeichen darstellte, waren sie ihr niemals näher gekommen als bis auf die Stufen des Star Inn und die Umstände hatten es nicht mit sich gebracht, dass Andrej sein Interesse an den Sehenswürdigkeiten der Stadt entdeckte.
    Inzwischen fragte er sich, ob es ein Fehler gewesen war.
    Die London Bridge war nicht nur gewaltig, sie war ein aus Stein und Holz erbautes Monstrum. Es war Andrej ein Rätsel, wieso dieses groteske Gebilde nicht schon längst unter seinem eigenen Gewicht zusammengebrochen war, und erst recht, was sich Menschen dabei dachten, so etwas zu ba u en. Sie war nicht die längste Brücke der Stadt, nicht einmal die breiteste, aber ganz gewiss die absurdeste. Sie sah nicht einmal mehr aus wie eine Brücke, nicht von Weitem und schon gar nicht aus der Nähe betrachtet. Vielmehr konnte man den Ei n druck gewinnen, die Stadt selbst hätte einen steinernen Arm wie den Tentakel einer riesigen Krake ausgestreckt, um über den Fluss zu greifen und ihre beiden Hälften miteinander zu ve r binden. Irgendwann einmal mochte es eine ganz normale Br ü cke gewesen sein, ein gemauerter Bogen, der sich in kü h nem Schwung über die schon damals schmutzigen Fluten der Themse erstreckte, jetzt war sie eine Straße, die von zwei-, manchmal sogar drei - oder viergeschossigen Häusern flankiert wurde, die man direkt auf die Brücke gebaut hatte - vermutlich ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, wie weit ihre Tragfähigkeit reichte. Ganz wie in der Stadt selbst wurden die einzelnen Etagen der Häuser hier breiter und ausl a dender, je weiter sie sich übereinanderstapelten, sodass sie sich einander näherten und sich mancherorts tatsächlich zu berühren schienen.
    Auf der erschreckend schmalen Straße dazwischen schien eine Schlacht zu toben. Auch wenn Andrej natürlich wusste, dass es nicht so war, so hatte er doch zumindest auf den ersten Blick das Gefühl, jeder Mann, jede Frau und jedes Kind Lo n dons wäre auf dieser Brücke zusammengekommen, um vor den Flammen aufs andere Ufer zu fliehen. Das Ergebnis war das schiere Chaos, ein knochenbrechendes Gerangel und Geschi e be, Gedrängel und Geschubse, das nur zu oft in ein wüstes

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