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Glut und Asche

Glut und Asche

Titel: Glut und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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dann. »Aber es kommt ihm nahe.«
    Abu Dun riss die Augen auf und starrte sie an, und Meruhe ergötzte sich - nunmehr ganz unverhohlen - an seinem Anblick, bevor sie vom Fenster zurücktrat. »Nur einen Moment Geduld noch, bitte.«
    Aus dem kurzen Moment wurde eine schiere Ewigkeit, in der sie schweigend beieinanderstanden und warteten, ohne dass Andrej auch nur gewusst hätte worauf. Sicher nichts Gutes. Schließlich aber kehrte eine von Meruhes Dienerinnen zurück, wechselte ein paar Worte mit ihrer Herrin und verschwand dann ebenso lautlos und schnell wieder, wie sie aufgetaucht war.
    »Sie sind da«, sagte Meruhe ernst. »Gehen wir.«
    »Wohin?«, fragte Abu Dun misstrauisch.
    »Sie warten am anderen Ende der Brücke.« Meruhe klang ein wenig ungeduldig, antwortete aber immerhin. »Noch wissen sie nicht, dass wir hier sind. Aber ich würde mich nicht darauf ve r lassen, dass das für alle Zeiten so bleibt.«
    Abu Dun setzte zu einer ärgerlichen Erwiderung an, doch Meruhe war bereits an ihm vorbei und aus dem Zimmer, und auch Andrej wandte sich um und machte Anstalten, ihr zu fo l gen. Abu Dun hielt ihn grob am Arm zurück.
    »Auf ein Wort, Hexenmeister.«
    Andrej blieb zwar gehorsam stehen, sah aber stirnrunzelnd und so lange auf Abu Duns Hand hinab, bis dieser den Arm z u rückzog und ihn losließ. Erst dann blickte er dem Nubier ins Gesicht.
    »Es wird allmählich Zeit, dass du dich entscheidest, Andrej«, sagte Abu Dun ernst.
    »Entscheiden? Zwischen wem?«
    »Ob du ihr traust oder nicht«, antwortete Abu Dun. »Ich traue ihr nicht.«
    »Was unschwer zu übersehen ist«, sagte Andrej. »Was ist los mit dir, Pirat? Bist du eifersüchtig?«
    »Vielleicht mache ich mir Sorgen um dich.«
    »Das ist nett, aber nicht notwendig«, antwortete Andrej kühl. »Ich kann schon auf mich selbst aufpassen. Schon seit einer ganzen Weile.«
    »Aber anscheinend nicht gut genug.« Abu Dun machte eine Kopfbewegung auf das Fenster hinter sich. »Das da ist Selbs t mord, sogar für uns. Und wofür?«
    Andrej antwortete nicht sofort. Er hatte Abu Dun nichts von Frederic erzählt - nichts von dem wirklichen Frederic, dem U n geheuer aus seiner Vergangenheit, das sich in der Maske eines Kindes wieder in sein Leben geschlichen hatte und ihn zerst ö ren würde, wenn er es nicht hier und jetzt zu Ende brachte -, und er würde es auch jetzt nicht tun. Was dort drüben auf ihn wartete, das ging nur ihn etwas an, nicht Meruhe, nicht Loki und dieses andere Ungeheuer und nicht einmal Abu Dun.
    »Das werden wir sehen«, meinte er nun Abu Dun sagte noch etwas, das sich nicht besonders freundlich anhörte, aber Andrej achtete gar nicht mehr darauf, sondern beeilte sich, das Zimmer zu verlassen und Meruhe und ihrer Dienerin zu folgen.
    Wie vermutlich alle Gebäude auf der Brücke war auch dieses von seinen Bewohnern verlassen, doch ihr Aufbruch musste entweder in panischer Eile vonstattengegangen sein, oder hi n terher war noch jemand hier gewesen und hatte sich wirklich große Mühe gegeben, das Haus gründlich zu verwüsten - ve r mutlich Plünderer. Sämtliche Türen standen offen, Schubladen waren herausgezogen und der Inhalt von Schränken und Truhen überall auf dem Boden verstreut. Zerbrochenes Geschirr knirschte unter seinen Stiefel sohlen, und eine Spur aus Perg a mentfetzen und besudelten Kleidungsstücken zog sich die g e samte Treppe hinauf. Andrej verspürte flüchtig Zorn, obwohl ihm sein Verstand auch jetzt wieder sagte, dass dieses Haus in wenigen Stunden ohnehin ein Raub der Flammen werden wü r de. Aber es gab Dinge, die einfach ... nicht richtig waren.
    Er hatte erwartet, dass Meruhe und ihre Dienerinnen das Haus verlassen würden, doch stattdessen gingen sie weiter nach oben, die Treppe ins zweite Geschoss hinauf und dann auf e i nen niedrigen Dachboden. Flackerndes blassrotes Licht drang durch ein metergroßes Loch, das jemand in die Strohbündel geschnitten hatte, mit denen das Dach gedeckt war. Darunter stand eine Leiter.
    »Ich hoffe doch, du bist schwindelfrei«, sagte Meruhe und machte eine einladende Handbewegung.
    Andrej schlug kommentarlos seinen Mantel zurück, stieg die Leiter hinauf und fand sich auf einem steilen Strohdach wieder, unter dem ein sechzig Fuß tiefer Abgrund gähnte. Reglose Körper trieben zwischen Trümmern und brennenden Boot s wracks auf dem schmutzigen Wasser unter ihm. Neben ihm stand eine dunkle Gestalt in einem schwarzen Mantel so sicher auf dem abschüssigen Dach, dass Andrej einen

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