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Glut und Asche

Glut und Asche

Titel: Glut und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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schwachen Stich von Neid verspürte.
    Dennoch machte er einen raschen Schritt zur Seite, um Meruhe und hinter ihr Abu Dun Platz zu machen. Meruhe b e wegte sich ebenso selbstsicher und gelassen wie ihre Dienerin, während sich der große Nubier eher schwerfällig aufrichtete und auch keinen Hehl aus dem Unbehagen machte, mit dem ihn seine neue Umgebung erfüllte.
    »Hast du das mit fliegen gemeint?«, fragte er missmutig. Meruhe deutete nur stumm zum anderen Ende der kantigen Dachlandschaft und gab ihrer Dienerin zugleich einen Wink. Die Nubierin schien mit der Nacht zu verschmelzen und einfach zu verschwinden, und Meruhe wandte sich in dieselbe Richtung und zog ihr Schwert - allerdings nicht, weil sie einen Feind entdeckt hatte, sondern um sich damit auf der aufsteigenden Seite des Daches abzustützen. Andrej brauchte keine besondere Aufforderung, um es ihr gleichzutun, während Abu Dun einige Schritte stolz erhobenen Hauptes hinter ihr her marschierte , bis sein Fuß auf dem nassen Stroh den Halt verlor und er sich ha s tig auf die Knie fallen ließ, um nicht vollends zu stürzen. D a nach hatte er es sehr eilig, ebenfalls sein Schwert zu ziehen und sich abz u stützen.
    Trotzdem - und obwohl die bizarre Dachlandschaft alles a n dere als leicht begehbar war und sie mehr als eine waghalsige Kle t terpartie auf ein höher gelegenes Dach hinauf machten, um ein Gebäude mit weniger Stockwerken hinter sich zu bringen, und einmal sogar eine annähernd zehn Fuß breite Lücke übe r springen mussten, wo eines der Gebäude einfach fehlte - kamen sie gut voran. Schon nach kurzer Zeit hatten sie die Hälfte der Strecke hinter sich gebracht und damit den Punkt in der Mitte der Brücke erreicht, wo die beiden entgegengesetzten Flüch t lingsströme aufeinanderstießen. Ganz wie er es erwartet hatte, brachen überall erbitterte Kämpfe aus, auch wenn die meisten sofort wieder endeten - sei es nur, weil die Beteiligten einfach nicht den notwendigen Platz hatten, um Fäuste oder Messer zu schwingen. Die Woge von Furcht und Hass, die ihm aus der Tiefe entgegenschlug, wurde zu einem Orkan, und es fiel ihm immer schwerer, der Verlockung zu widerstehen, die von di e sem schier unerschöpflichen Reservoir an Kraft ausging. Wer sollte ihn noch aufhalten, wenn er sich ihrer bediente?
    Und noch eine Frage stellte sich: Wie sollte er gegen einen Feind bestehen, der sich ihrer seit Jahrhunderten zu bedienen wusste?
    Erzog es vor, diesen Gedanken nicht weiter zu verfolgen.
    Kurz bevor sie das Ende der Brücke erreichten, blieb Meruhe stehen und hob die freie Hand, damit sie ebenfalls anhielten. Abu Dun und er gesellten sich zu ihr, obgleich ihm nicht wohl dabei war, das Strohdach mit dem Gewicht von drei Menschen zu belasten ... oder auch vier oder fünf, wenn er Abu Duns Körpermasse bedachte.
    »Sie sind hier«, sagte Meruhe.
    »Loki?«
    »Und Marduk.« Sie nickte. »Sie sind ganz in der Nähe. In einem der Häuser dort drüben. Ich kann sie spüren.«
    »So?« Abu Dun zog unwillig die Stirn kraus. »Dann nehme ich an, sie wissen auch, dass wir hier sind?«
    »Nein«, antwortete Meruhe. »Ich schirme meine Gedanken ab. Sie wissen nicht, dass wir kommen. Anscheinend geht dein Plan auf, Pirat. Jedenfalls bisher.«
    »Aber sie werden uns aufspüren, wenn wir näher kommen«, vermutete Andrej. Meruhe schwieg, aber das reichte als An t wort auch vollkommen aus.
    »Wie viele sind bei ihnen?«, fragte Abu Dun.
    »Vampyre?« Meruhe lauschte in sich hinein. »Fünf, vie l leicht sechs. Es ist nicht leicht, sie in diesem Meer von Schmerzen und Furcht auszumachen.«
    »Das heißt, es könnten auch mehr sein«, sagte Abu Dun. Auch diesmal zog es Meruhe vor, gar nicht zu reagieren.
    »Welches Haus?«, fragte Andrej.
    Wieder lauschte Meruhe konzentriert in sich hinein, dann drehte sie sich - immer noch schweigend - um und ging bis zum First des Daches hinauf, wobei sie das letzte Stück auf Händen und Knien zurücklegte und das allerletzte sogar auf dem Bauch kriechend, damit sich ihre Silhouette nicht gegen den rot gl ü henden Nachthimmel abhob und sie verriet. Abu Dun, Andrej und ihre Dienerin folgten ihr auf dieselbe Weise. Oben ang e kommen, war Andrej nun vollkommen sicher, dass das Zittern des zerbrechlichen Strohdachs unter ihm nicht nur ein Streich war, den ihm seine überreizten Nerven spielten.
    »Dort.« Meruhes ausgestreckte Hand deutete auf das dreig e schossige Torgebäude, das den diesseitigen Abschluss der Br ü cke bildete. Hinter

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