Glut und Asche
Fäusten. Blut klebte auch an seinen Lippen und an seinen Zähnen, und noch mehr Blut lief in einem dünner werdenden Strom aus der aufgerissenen Halsschlagader des Toten und sammelte sich zu einer dampfenden Lache unter Kopf und Schultern. Der logisch denkende Teil von Andrej wusste sehr genau, was er da sah und was es bedeutete, aber da war auch noch ein anderer Teil, den dieses Wissen bis auf den tiefsten Grund seiner Seele erschütterte und der sich einfach weigerte, es zu begreifen. Aber zugleich gab es an dem Anblick auch rein gar nichts zu deuten: Zum allerersten Mal sahen Abu Dun und er mit eigenen Augen das, wovon sich die Menschen in kalten Winternächten am Feuer erzählten, wovor sie sich in ihren dunkelsten Träumen fürchteten und wofür so viele sie hielten, ohne dass er jemals geglaubt hätte, es könnte wahr sein: einen Vampyr, der sich über sein Opfer beugte und dessen Blut trank.
»Aber ich will, dass er aufsteht!«, kreischte Frederic. »Er muss! Er soll aufstehen und kämpfen. Ich befehle es ihm! Ich will das!«
»Er ist tot, Frederic«, sagte Andrej noch einmal, über nichts mehr erstaunt als über den noch immer fast sanften Ton in se i ner Stimme. »Er kann dir nicht mehr gehorchen.«
Abu Dun hob sein Schwert und wollte auf ihn zutreten, doch Andrej griff zum zweiten Mal nach seinem Handgelenk und drückte dieses Mal so fest zu, dass es wehtun musste. »Nicht. Das ist meine Sache.«
»Aber ich will es!«, kreischte Frederic, schlug noch zwei - oder dreimal mit seinen kindlichen Fäusten auf den Toten ein und stemmte sich dann in eine geduckte Haltung hoch, weit nach vorn gebeugt und mit pendelnden Armen und leicht g e spreizten Beinen. Blutgefärbter Speichel lief aus seinen Mun d winkeln und tropfte Fäden ziehend zu Boden, und der Ausdruck in seinen Augen war nunmehr vollends zu reinem Wahnsinn gewo r den, einem Wahnsinn, der drei Jahrhunderte Zeit gehabt hatte, in ihm zu wühlen und zu wachsen und zu etwas vol l kommen anderem und Zerstörerischem zu werden.
»Ich will es!«, sagte er noch einmal, auch wenn es jetzt eher ein Wimmern war, das ein bisschen etwas von einem verstoc k ten Kind hatte. »Er gehört mir! Er muss tun, was ich s a ge!«
Aus Andrejs Entsetzen wurde ... etwas Neues, das er noch nicht genau definieren konnte, das ihn aber erschreckte. Seine Hand schtoss sich fester um Gunjir, und jetzt hörte er auch wieder das Flüstern des Götterschwertes tief in seiner Seele.
»Was beim Scheijtan tut er da?«, flüsterte Abu Dun. Seine Stimme war flach und von purem Grauen erfüllt. »Dann ... dann ist es wahr? Dann trinken wir Blut?«
»Nein«, antwortete Andrej. »Nicht wir , nur er« Und damit sprang er auf Frederic zu und schwang Gunjir in einem gewa l tigen, beidhändig geführten Hieb, in den er all seine gewaltige Körperkraft legte.
Frederic wich mit einem wütenden Fauchen zurück, und A n drejs Fuß glitt in der noch dampfenden Blutlache aus, sodass er das Gleichgewicht verlor und sein Schwerthieb den Jungen um Haaresbreite verfehlte. Frederic tänzelte zusätzlich leichtfüßig zur Seite, und plötzlich war das abgebrochene Messer wieder in seiner Hand. Andrej fiel ungeschickt auf ein Knie herab und sprang sofort wieder in die Höhe, und Frederic stieß mit aller Kraft zu, schräg von oben und den Schwung seiner eigenen Bewegung nutzend, um die Messerklinge bis zum Heft in seine Brust zu rammen.
Er wartete darauf, den Schmerz in seiner Brust explodieren zu fühlen, aber alles, was er spürte, war die Kälte des schartigen Stahls, der durch sein Fleisch schnitt und sein Herz um weniger als einen Fingerbreit verfehlte. Seine Knie wurden weich. Gunjir entglitt seinen plötzlich kraftlosen Fingern und klirrte zu Boden, und er kippte zur Seite. Alles, wozu seine Kraft noch reichte, war, den anderen Arm auszustrecken und Abu Dun festzuhalten. Doch es gelang ihm nicht. Abu Dun riss sich zo r nig los, doch die kurze Verzögerung reichte Frederic, um en d gültig herumzufahren und durch dieselbe Tür zu verschwinden, durch die sie gerade hereingekommen waren. Abu Dun machte einen wütenden Schritt hinter ihm hei; blieb dann wieder stehen und drehte sich kaum weniger aufgebracht zu Andrej herum, um sich neben ihm auf die Knie sinken zu lassen. Vorsichtig (aber alles andere als sanft) zog er das Messer aus dessen Brust, warf es zur Seite und versetzte Andrej dann einen leichten Schlag ins Gesicht. Vielleicht nicht ganz so leicht, wie ang e messen gewesen wäre.
»Ist
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