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Glut und Asche

Glut und Asche

Titel: Glut und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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wurden lauter, aber nicht deutlicher, und auch seine anderen Sinne erwiesen sich plötzlich mehr als Fluch denn als Segen. Er war weder im Stande, Loki oder Marduk auszumachen, noch die anderen Vampyre, vor denen Meruhe sie gewarnt hatte. Jener nur für ihn wahrnehmbare Teil der Welt war zur Gänze erfüllt mit den Schreien sinnlos vergehender Leben und dem Orkan aus Furcht und Schmerz, der über die ganze Stadt hinweg tobte und ihn tief in seiner Seele an einem ganz bestimmten Punkt traf. Es wäre leicht, danach zu greifen, sich all dieses Schmerzes und zielloser Wut zu bedienen und Kraft daraus zu gewinnen, so wie Meruhe es ihm gezeigt hatte. Er hätte selbst ohne ihre Hilfe gewusst, was zu tun war, und er ahnte auch, wie bitter nötig er jedes bisschen Kraft brauchen würde, vielleicht schon in den nächsten Minuten.
    Dennoch zögerte er Die Lebenskraft anderer zu nehmen und sich ihrer zu bedienen, um seine eigene Stärke zu mehren und einen Schritt zur Seite zu tun, während die Zeit vorüberraste und jeden anderen auf ihrem Weg erbarmungsloser Gleichgü l tigkeit zermalmte, war Abu Dun und ihm vertraut, solange sie lebten. Es war Teil ihres Geheimnisses - wenn auch nicht ei n mal der wichtigste -, und er hatte nie wirkliche Skrupel dabei empfunden, nahmen sie doch nur die, die es verdient hatten, indem sie sich auf die Seite des Bösen stellten und Blut und Terror auf ihre Fahnen schrieben. Aber das hier war... anders. Er hätte auch diese Kraft nehmen und seiner eigenen hinzuf ü gen können, aber dieses Mal wäre es von Übel gewesen, und er schrak davor zurück - wie vor einer verdorbenen Speise, die vielleicht noch gut aussah und verlockend duftete, von der er aber instinktiv spürte, dass sie ihn letzten Endes vergiften wü r de.
    Andrej blinzelte, und die sonderbaren Gedanken waren fort. Ein nervöses Lächeln huschte über seine Lippen und erlosch wi e der, als er Abu Duns fragendem Blick begegnete. »Was?«, fragte der Nubier.
    »Nichts«, antwortete Andrej. »Ich war nur ...« Er ließ den Satz unvollendet, obwohl ihm klar war, dass er ihm damit nicht nur unnötiges Gewicht verlieh, sondern seiner Behauptung auch die Glaubwürdigkeit nahm, und hob nur die Schultern.
    Natürlich starrte ihn Abu Dun nur noch misstrauischer an. »Und du bist sicher, dass auch wirklich alles in Ordnung ist?«, fragte er.
    Gar nichts war in Ordnung. Als ihm klar wurde, was er g e rade gedacht hatte, erschrak Andrej im Nachhinein heftig. D a bei war es nicht der Inhalt seiner Gedanken gewesen oder ihre Bede u tung, sondern die Art und Weise, in der er sie gedacht hatte. Die Worte. Es war nicht seine Art zu denken. Meruhe hatte eindeutig mehr getan, als ihm nur ein paar Dinge zu e r klären und ihm etwas von ihrer Kraft zu geben. Und er wusste nicht, ob es ihm gefiel.
    »Geh voraus«, flüsterte er.
    »Nicht, dass ich das nicht gewohnt wäre«, maulte der nub i sche Riese, setzte sich aber trotzdem gehorsam in Bewegung und ergriff seinen Säbel fester, während er mit der anderen Hand seinen Turban festhielt, damit er ihm nicht vom Kopf rutschte, als er sich durch die niedrige Tür bückte.
    Der Gang dahinter war fensterlos und leer und nicht nur vom Qualm der brennenden Stadt verräuchert, der von draußen he r eindrang. Ein Dutzend heftig rußender Fackeln sorgte für rot flackerndes Höllenlicht und schwärzte nicht nur die Wände, sondern auch die Decke darüber.
    »Ein reines Wunder, dass diese famose Stadt nicht schon vor einem Jahrhundert von selbst abgebrannt ist«, murrte Abu Dun. »Haben diese Leute denn gar keinen Respekt vor Feuer?«
    »Vielleicht hatten sie ja einfach nur Glück«, antwortete A n drej. »Oder die Götter waren auf ihrer Seite.«
    »Es fragt sich nur welche«, erwiderte Abu Dun, erklärte aber ihre unpassende Plauderei für beendet, indem er nach links deutete. »Sie sind dort.«
    Andrej spürte immer noch nichts und wollte Abu Dun gerade loben, drehte sich dann aber nach rechts und sah, dass der Gang nach kaum einem Schritt vor einer schmutzigen Wand endete. So viel zu Abu Duns scharfen Sinnen. Links war die einzige Richtung, in der es weiterging. »Wirklich scharfsinnig«, lobte er.
    »So wie immer«, feixte Abu Dun. »Was würdest du nur ohne mich machen? Manchmal frage ich mich, wie du überhaupt alt genug werden konntest, um mich kennenzulernen.«
    »Auf jeden Fall bin ich ruhiger geworden«, gab Andrej z u rück und ging los, bevor Abu Dun Gelegenheit zu einer weit e ren wenig komischen

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