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Glut und Asche

Glut und Asche

Titel: Glut und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Andrejs.
    »Schnapp sie ... dir!«, brachte er japsend heraus. »Sie ist... eine von ... ihnen!«
    Daran zweifelte Andrej nicht eine Sekunde, und er versuchte auch, alle seine Kräfte zusammenzunehmen, aber er wusste auch, dass er die Vampyrin nicht einholen würde. Ihr Vo r sprung betrug bereits drei oder vier Schritte und wuchs immer raschen Noch ein weiteren gewaltiger Satz und ein Sprung nach links, da verschwand ihr Körper bereits wieder in den Schatten des Abbruchhauses. Doch ihr Kopf rollte in die andere Ric h tung davon. Etwas blitzte silbern und kurz im Dunkel auf, dann trat eine schlanke Gestalt in den Farben der Nacht aus den Schatten, ließ sich neben der toten Vampyrin auf ein Knie hinabsinken und wischte die blutige Schwertklinge an deren Kleid ab.
    »Und wieder einmal hat dein großer, tollpatschiger Freund recht«, sagte Meruhe, während sie sich ebenfalls aus den Schatten löste und mit langsamen Schritten auf Abu Dun und ihn zukam. »Auch wenn er zumeist nur den Tollpatsch spielt.«
    »Zumeist?«, grollte Abu Dun. Er massierte seinen schme r zenden Hals.
    Meruhe lachte leise, kam noch einen Schritt näher und blieb dann stehen, um zuerst Abu Dun und dann Andrej mit schräg gehaltenem Kopf und sehr nachdenklichem Blick anzusehen. »Was muss ich tun, damit du Vernunft annimmst und auf mich hörst, Andrej? Dir die Füße abschneiden und deinen Freund bitten, dich aus der Stadt zu tragen? Das würde dich lange g e nug aufhalten, nehme ich an.« Sie schmunzelte, aber ihre Hand lag auf dem Schwert und hinter ihrem Lächeln lauerte etwas, das ihn erschreckte.
    »Das würde ich nie tun«, sagte Abu Dun brummig. »Alle r höchstens einen Fuß. Vielleicht auch nur ein paar Zehen.« Sein Blick irrte unstet zwischen dem kopflosen Körper der Vampyrin und ihrem Kopf hin und her. Er nahm die Hand vom Hals.
    »Das sollte auch reichen«, erwiderte Meruhe gelassen. Das Lächeln blieb in ihren Augen, genauso wie die Hand auf dem Schwert.
    »Dann solltest du das vielleicht tun«, sagte Andrej. »Oder mich besser gleich töten.«
    »Weil das der einzige Weg ist, um dich davon abzuhalten, dir Loki zu holen?« Meruhe seufzte. Sie wandte sich mit einem - diesmal echt wirkenden -Lächeln an Abu Dun. »Und du b e hauptest, ich hätte einen Hang für dramatische Auftritte?« Ganz offensichtlich wollte sie keine Antwort auf diese Frage, denn sie hob mit einem Ruck die freie Hand, und auch die zweite nubische Kriegerin trat aus den Schatten heraus. Andrej hatte das unheimliche Gefühl, dass sie wie aus dem dunklen Nichts erschien.
    Die schwarze Amazone ließ sich in die Hocke sinken, um den abgeschlagenen Kopf der Vampyrin aufzuheben, und A n drej wandte den Blick ab - schnell, aber nicht schnell genug. Zum allerersten Mal sah er das Gesicht der Vampyrin bewusst, und obwohl ihre Züge nichts anderes als eine im Tod erstarrte Fra t ze waren, wurde ihm mit der Wucht eines Faustschlages klar dass sie wenig mehr als ein Kind gewesen war - sechzehn, vie l leicht siebzehn Jahre alt und vielleicht nicht einmal das.
    Aber er hatte gespürt, was sie gewesen war, wozu sie g e worden war. Da war etwas ... Fauliges in ihr gewesen.
    »Es war noch nicht zu spät, Andrej«, sagte Meruhe. »Falls es dir ein Trost Ist - und Ich glaube, dass es das Ist -, Ihre Seele war noch nicht gänzlich verloren.«
    »Hör auf, meine Gedanken zu lesen!«, sagte Andrej böse.
    »Das habe Ich nicht«, erwiderte Meruhe. »Das Ist nicht n ö tig, weißt du? Ich kenne dich gut genug.«
    Andrej schluckte herunter, was Ihm als Antwort auf der Zunge gelegen hatte.
    Schon, weil sie recht hatte.
    Meruhe hob ein zweites Mal die Hand, weniger theatralisch dieses Mal, und die Kriegern wickelte den Kopf der Toten In deren Mantel, lud sich den leblosen Körper auf die Arme und verschwand damit In den Schatten des leer stehenden Hauses. Meruhe sah Ihr nach, bis Ihre Schritte ebenso In der Stille ve r klungen waren wie Ihre Silhouette Im Zwielicht verschwand.
    »Es war das Beste für sie, glaub mir«, sagte Meruhe. »Ich weiß, was du jetzt fühlst...«
    »Das glaube Ich kaum«, sagte Andrej leise, und Meruhe fuhr fort, als hätte sie Ihn nicht gehört: »Aber es Ist falsch. Das, was Ihr Leben nennt, endet nicht zwangsläufig mit dem, was Ihr Tod nennt.«
    Andrej wollte es nicht, ganz sicher nicht, aber er dachte über diese sehr sonderbare Formulierung nach, und sie brachte etwas tief In Ihm zum Erschauern. »Sie wäre zu etwas geworden, was sie ganz bestimmt nicht sein

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