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Die Sehnsucht des Freibeuters: Er war der Schrecken der Meere - doch sein Herz war voller Zärtlichkeit. Roman (German Edition)

Die Sehnsucht des Freibeuters: Er war der Schrecken der Meere - doch sein Herz war voller Zärtlichkeit. Roman (German Edition)

Titel: Die Sehnsucht des Freibeuters: Er war der Schrecken der Meere - doch sein Herz war voller Zärtlichkeit. Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Drake
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1. Kapitel
    H arriet Dorley faltete ihren Sonnenschirm mit einem energischen Ruck zusammen. Ihre Freundin Lan Meng seufzte, als sie den empörten Blick bemerkte, mit dem Harriet eine Gruppe betrunkener Männer fixierte, die auf einen etwa elf Jahre alten indischen Jungen einprügelten. Und dann ging sie auch schon energisch los, geradewegs auf die Männer zu. Lan Meng folgte ihr rasch und lockerte dabei die Schärpe, die ihre knielange Weste vorne zusammenhielt.
    Als Harriet die Männer erreicht hatte, stieß sie kampflustig mit dem Schirm auf, um deren Aufmerksamkeit zu erregen. »Was geht hier vor?« Üblicherweise hatte sie eine leise Stimme, nicht sanft, aber eben leise. Jetzt brüllte sie, aber die Männer beachteten sie trotzdem nicht.
    Einer von ihnen holte aus und gab dem kleinen Burschen eine Ohrfeige, die ihn umwarf. Der Junge blutete schon an der Lippe und aus der Nase. Als der Mann, ein grobschlächtiger Mensch, mit eindrucksvollem Bauch und Armen, die wesentlich dicker waren als Harriets schlanke Beine, ihn am Genick packte, um ihn hochzuzerren und ihm noch eine Ohrfeige zu verpassen, hob Harriet den Schirm und hieb ihn kräftig auf den Rücken des Mannes.
    »Was glauben Sie eigentlich, was Sie da tun?«, herrschte sie ihn an. Als der Mann, dieses Mal vor Verblüffung, nicht gleich reagierte, schlug sie abermals zu, direkt auf seinen kahlen Schädel. Jetzt hatte Harriet die ungeteilte Aufmerksamkeit von allen vier Kerlen.
    Lan Meng hätte gut darauf verzichten können. Sie schob sich ein wenig näher, ihre Hand glitt unter die Weste, und ihre Augen fixierten zwei der Männer, die sie am gefährlichsten einschätzte.
    Die groben Kerle waren jedoch sichtlich aus dem Konzept gebracht, als sie sich einer sehr schlanken, etwas mehr als mittelgroßen Frau gegenübersahen, deren dunkelblaue Augen wütend blitzten.
    Ihre Finger waren so fest um den Schirmgriff geschlungen, dass die Knöchel weiß hervortraten, und es konnte kein Zweifel bestehen, dass sie in Erwägung zog, ihre Waffe abermals zum Einsatz zu bringen.
    Der Junge nutzte die Ablenkung, um sich aus dem harten Griff zu lösen und auf seinem Hosenboden aus der Reichweite der kräftig behaarten Fäuste zu rutschen.
    »Hat uns bestohlen, der Bastard«, murrte einer der Männer.
    Harriet wandte sich dem Jungen zu. »Wie heißt du?«, fragte sie streng.
    »Ranjit.« Die Augen des Jungen huschten zwischen ihr und den Männern hin und her. Einerseits hoffte er, dass die englische Lady ihm helfen würde, andererseits wagte er noch nicht, seinem Glück zu trauen. Die Männer, mit denen er sich angelegt hatte, gehörten nicht zu einem der im Hafen liegenden Handels- oder Kriegsschiffe, sondern zu einer zwielichtigen Barke, die am Abend davor eingesegelt war und im Schutz der Dunkelheit ihre Ladung gelöscht hatte.
    »Stimmt das?«, fragte Harriet in demselben scharfen Tonfall weiter. »Du hast den Männern den Geldbeutel gestohlen?«
    »Und eine Pistole«, knurrte einer.
    Harriet streckte herrisch die Hand aus. »Gib die Sachen sofort her.«
    Der Mann lachte. »Dachte schon, die Lady will uns vermöbeln, weil wir diesen diebischen Bastard in die Mangel genommen haben, dabei …«
    Harriets kalter Blick ließ ihn verstummen. »Nun?«, fragte sie Ranjit ungeduldig.
    »Haben sie mir wieder weggenommen«, maulte der Bursche. Er fuhr sich mit dem Unterarm über seine blutende Nase und zuckte zusammen. Das über sein Gesicht verschmierte Blut erweckte sofort Harriets Mitleid, auch wenn sie sich um einen kühlen Ausdruck bemühte. Sie kannte Jungen wie ihn. Sie lebten tatsächlich vom Diebstahl und landeten früher oder später entweder im Gefängnis oder unter dem Beil des Scharfrichters. Stahlen sie nicht, verhungerten sie.
    Der Junge zeigte auf den Fetzen, den er am Leib trug. »Kann nichts mehr verstecken.« Er sprach gutes Englisch, ohne Akzent, als hätte er es von klein auf gelernt und gesprochen. Jetzt wischte er sich abermals mit dem Handrücken über seine blutende Nase. Harriet hielt ihm ein Taschentuch hin und wandte sich wieder den Männern zu. Sie stützte den Sonnenschirm vor sich auf, legte beide Hände über den Knauf und musterte die Männer kalt. »Sie haben Ihr Eigentum zurückbekommen. Das sollte reichen. Lassen Sie den Jungen in Ruhe und gehen Sie.«
    Die Männer zögerten. Harriet hatte ihnen offensichtlich eine recht vergnügliche Unterhaltung verdorben. Derjenige, der Ranjit geschlagen hatte, machte Anstalten, wieder nach ihm zu greifen, und

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