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Glutroter Mond

Glutroter Mond

Titel: Glutroter Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Narcia Kensing
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Sogleich fließt eine streng riechende Flüssigkeit heraus, die in den Augen brennt. Pfui. Ich huste und entferne mich ein paar Schritte. Als der Pegel im Tank unterhalb des Ausgusses gesunken ist und kein Benzin mehr herausläuft, stecke ich den Stöpsel wieder auf die Öffnung und ziehe den Kanister darunter hervor. Er ist etwas mehr als halb voll. Ich schleppe ihn um das Gebäude herum. Als ich einen Blick durch das Autofenster ins Wageninnere werfe, hat sich ein erleichtertes Lächeln auf Cades Lippen breit gemacht. Hat er etwa geglaubt, ich schaffe das nicht alleine? Pah!
    Von neuem Ehrgeiz beflügelt, klappe ich die von ihm beschriebene Abdeckung an der Beifahrerseite auf. Dahinter wieder ein Stöpsel, allerdings lässt der sich nicht so einfach öffnen. Ich betrachte den Schlüssel in meiner Hand. Ich habe nie zuvor etwas mit einem Schlüssel aufgesperrt, aber ich habe Cade oft genug dabei beobachtet. Das lange gezackte Ende gehört in das Loch. Ich stecke den Schlüssel hinein und drehe ihn. Mit einem
Klick
lässt sich der Stöpsel entfernen. Schnell habe ich den Inhalt des Kanister hineingeschüttet. Ich schließe die Klappe und öffne mehr als zufrieden die Beifahrertür.
    »Ich hab's geschafft! Wohin mit dem Kanister?«
    »Lass ihn einfach stehen.« Er klopft mit der Hand auf den Sitz, um mich dazu einzuladen, mich neben ihn zu setzen. Ich steige ein und schließe die Tür.
    »Tut mir leid, dass du jetzt schon wieder nass bist.«
    »Nur ein bisschen. Das macht nichts.«
    Inzwischen hat die Dämmerung eingesetzt, im Zwielicht wirkt die Welt um mich herum noch grauer.
    »Lass uns fahren. Es wird schon dunkel«, sagt Cade. Er startet den Wagen. Das Piepen und Blinken hat aufgehört. Ich bin stolz auf mich.
    Schon nach wenigen Minuten biegt Cade auf den schmalen Schotterweg ein, der zum Quartier der Acrai führt. Ein Gefühl der Beklemmung macht sich in mir breit, als er in die Höhle fährt, in der er das Auto parkt. Daneben steht ein längliches Gefährt mit zwei Rädern, das beim letzten Mal noch nicht da gewesen ist. Ich nehme an, es ist das Motorrad, von dem Cade gesprochen hatte. Mein Herz schlägt mir bis zum Hals. Ich möchte nicht wieder durch diese Tür und die Treppe hinab gehen.
    »Ich gehe vor uns sehe nach, ob jemand im Flur ist«, sagt er. »Wenn die Luft rein ist, kommst du nach. Dich darf niemand sehen.«
    Ich ziehe die Augenbrauen hoch. »Und dann?«
    »Du kannst erst einmal in meinem Privatzimmer bleiben. Dort gelangt sonst niemand hinein. Dann sehen wir weiter. Heute wird uns jedenfalls keine Lösung mehr einfallen.«
    Cade steigt aus, öffnet die Tür zum Quartier und verschwindet einstweilen dahinter.

Kapitel fünfzehn
    Holly
    Wir steigen die Treppe hinab ins Quartier der Acrai. Cade hat sich zuvor vergewissert, dass keiner seiner Artgenossen im Gang ist, was natürlich nicht heißt, dass uns nicht trotzdem jemand überraschen könnte. Mein Herz hämmert so laut, dass ich mir einbilde, die Vibrationen hallten von den Wänden wider. Was, wenn uns jemand erwischt? Hat Cade sich eine Ausrede zurechtgelegt?
    Bevor wir von der Treppe aus in den metallenen Gang stoßen, flüstere ich ihm zu: »Wie viele von euch leben hier?«
    »Mich eingerechnet fünf. Wir sind nur eine kleine Sippe.«
    Ich erspare mir die Nachfrage, ob es noch andere Sippen gibt und wie viele Acrai das Land tatsächlich besiedeln. Ich möchte es lieber nicht wissen. Stattdessen nicke ich nur.
    »Bleib dicht hinter mir«, sagt Cade. »Wir gehen jetzt in den Gang. Bis zur Abzweigung zu unseren Privatzimmern ist es ein ganzes Stück, vorbei an den Zellen. Doch dahinter wird es erst richtig unangenehm. Mein Zimmer ist das letzte im angrenzenden Flur.«
    »Was tust du, wenn uns jemand sieht?«
    »Ihm sagen, dass du mir entwischt bist und ich dich wieder eingefangen habe.«
    »Das wirft neue Fragen auf.«
    »Das weiß ich, Fräulein Oberschlau. Und jetzt rede nicht, sondern komm.«
    Mich durchfährt es eiskalt, als Cade mich so nennt. Neal hat das auch immer zu mir gesagt. Damals, als wir noch sorglos in Manhattan gelebt haben ...
    Ich schlucke meine Ängste hinunter und folge Cade in den sterilen Flur mit den matten Metallwänden. Er wirkt noch immer genauso bedrohlich auf mich wie beim ersten Mal, als ich ihn betreten habe. Als wir an der Tür vorbei kommen, die zu meiner alten Zelle führt, macht sich Übelkeit in mir breit. Einen Moment lang zweifle ich, ob ich das richtige tue und ob ich nicht besser dran gewesen wäre, wenn

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