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Glutroter Mond

Glutroter Mond

Titel: Glutroter Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Narcia Kensing
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V23er fahren mit Solar- oder Kernenergie. Die müssen nicht ständig tanken.« Er knurrt schon wieder, wie er es häufig tut. »Den letzten Lieferanten habe ich wohl endgültig vergrault. Und Vince fährt jetzt mit seinem Motorrad durch die Gegend. In dem Tank, den ich ihm abgenommen habe, müsste noch etwas drin sein. Ich habe beim letzten Mal nicht alles umgefüllt.«
    »Und was heißt das jetzt? Cade, du musst schon so mit mir sprechen, dass ich verstehe, was du meinst.«
    »Wir fahren zurück zum Motel. Da steht der Plastikbehälter, den ich dem Benzinhändler abgenommen habe, während du und Neal im Zimmer eingeschlossen gewesen seid.«
    Aha. Das hatte er also getan, während er uns stundenlang dort hatte versauern lassen. Ich versuche, die alte Wut und Bitterkeit in mir wiederzuerwecken, aber es gelingt mir nicht. Irgendwie kann ich ihm nicht mehr böse sein.
    Ich nehme seinen Entschluss schweigend hin. Was wäre mir auch anderes übrig geblieben? Immerzu blinkt und piept es im Auto. Ich bin nicht versessen darauf, an den Ort zurückzukehren, wo mein Martyrium begonnen hat, aber wenn es sein muss, werde ich auch das überstehen. Mir wäre es lieber gewesen, so schnell wie möglich das Quartier zu erreichen und Cade nach einem genialen Plan zu fragen, den er sich hoffentlich bis dahin zurechtgelegt hätte. Ich selbst bin nämlich immer noch ratlos.
    Wir verlassen die breite Straße, fahren eine Schleife, um gleich darauf auf eine andere Straße einzubiegen. Cade nennt sie
Highway
. Inzwischen regnet es kräftig. Die Scheibenwischer quietschen schneller über die Scheibe. Wasser läuft an den Seitenfenstern herunter. Ein Blick in den grauen Himmel verrät mir, dass es alsbald nicht aufhören wird zu schütten wie aus Eimern. Cade kann unter diesen Umständen nicht aussteigen. Ich habe erlebt, welche Wirkung Wasser auf seine Haut hat. Na hoffentlich weiß er, was er tut.
    Die Gegend, durch die wir jetzt fahren, kommt mir wieder bekannt vor. Als ich das letzte Mal hier gewesen bin, habe ich neben Neal auf dem Rücksitz gesessen und noch nichts von dem geahnt, was noch vor mir lag.
    Meine Kehle schnürt sich zu, ein Stein scheint in meinem Magen zu liegen. Cade legt seine breite Hand auf mein Knie und klopft auf mein Bein, als wollte er mich beruhigen. Noch immer ist seine Berührung wie Elektrizität, für die Dauer eines Lidschlags durchfließen mich seine Emotionen. Unruhe, Ärger, ein schweres Herz, getränkt von Kummer.
    Er zieht sie Hand weg, als spürte er, dass ich in seine Seele geblickt habe.
    Er verlässt den Highway und biegt auf den Platz vor dem verfallenen Motel ein, der mir nur allzu bekannt vorkommt. Er stellt den Motor ab.
    »Es regnet«, sage ich.
    »Ich weiß, ich bin ja nicht blind.« Er lächelt, wobei sich feine Fältchen unter seinen Augen bilden. Ich versuche erneut, sein Alter zu schätzen. Es fällt mir schwer. In seinen Augen liegt ein Glanz, der älter zu sein scheint als sein Körper. Ich nehme mir vor, ihn bei Gelegenheit erneut darauf anzusprechen. Das heißt, sofern sich je wieder eine Gelegenheit dazu ergibt ...
    »Es ist bereits weniger geworden«, sagt er und lässt den Blick wieder in die Ferne schweifen. »Der Tank steht hinter dem Gebäude, etwas versteckt zwischen einem Container und einem Haufen Metallschrott. Daneben steht ein Kanister. Meinst du, du bekommst das hin?«
    Ein Schreck durchfährt mich. Verlangt er etwa von mir, dass
ich
das mache?
    »Du schaffst das schon. Hier ist der Schlüssel. Damit kannst du die Tankklappe öffnen. Die ist hinten an der Beifahrerseite. Schütte einfach den Inhalt des Kanisters in den Tank und mach die Klappe wieder zu. Du bist doch ein intelligentes Mädel.« Sein erneutes Lächeln entwaffnet mich. Mit einem Seufzen greife ich nach dem Schlüssel und öffne die Autotür.
    Der Regen hat tatsächlich schon nachgelassen, trotzdem ist er kalt und unangenehm. Ich bin nervös. Der klimpernde Schlüssel in meiner Hand vibriert im Rhythmus meines Herzschlags.
    Ich finde den großen Plastikbehälter sofort. Er blitzt neben dem Container hervor. Auch der versprochene Kanister steht daneben. Vom Regen hat sich Wasser darin gesammelt, das ich zunächst ausschütte. Unten an dem Behälter ist ein Stöpsel. Durch das durchscheinende weiße Plastik erkenne ich, dass noch ein Rest Flüssigkeit darin ist. Ich halte die große Öffnung unter den Hahn des Kanisters und ziehe den Stöpsel. Ich muss den Kanister dazu schräg halten, weil der Boden im Weg ist.

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