Gnade deiner Seele: Psychothriller (German Edition)
die Sitzungen taten ihm gut, denn so war er gezwungen, sich mit Gefühlen auseinanderzusetzen, die er andernfalls verdrängt hätte. Maggie brauchte das, sie hatte es verdient, so wie er. Darüber hinaus war sie neu in ihn verliebt. Sie flog auf diese ganze Detektivgeschichte. Sie war stolz auf ihn, weil er die Therapie nicht abgebrochen hatte. Sie war ins Ehebett zurückgekehrt. Sie war nicht mehr sauer und quälte ihn nicht mehr mit »dem Blick«. Sie war eine intelligente Frau, und er würde tun, was diese von ihm verlangte. Wenn er wusste, was gut für ihn war.
Im Auto griff er zu der Akte, die auf dem Beifahrersitz lag. Er hatte in dicken Lettern einen Namen daraufgeschrieben: Jefferson Cooper.
Er hatte nur wenige Stunden gebraucht, um seinen Vater ausfindig zu machen. Nach all den Jahren musste er nur zum Telefonhörer greifen. Er hatte in Abigails alten Unterlagen gewühlt und die Sozialversicherungsnummer seines Vaters gefunden. Am Nachmittag rief Jones bei Jack an, und um drei Uhr war er im Besitz einer Adresse, der Kreditkarteninformationen und einer Arbeitgeberliste. Er hatte noch nicht entschieden, was er damit anfangen würde. Er hatte sich nicht erlaubt, sich an seinen Vater zu erinnern – niemals. Einmal hatte Maggie ihm vorgeschlagen, sich drei schöne Momente in Erinnerung zu rufen, die er zusammen mit seiner Mutter und seinem Vater erlebt hatte. Sobald Jones es versuchte, überwältigte ihn ein heftiger Kopfschmerz, und er spürte das Verlangen, zum nächsten Fastfood-Laden zu fahren und sich mit Fett und Kohlehydraten ruhigzustellen. Er hatte sich lange Zeit gelassen. Er wusste nicht, was er tun würde.
Als er nach Hause zurückkam, stand die Sonne tief am Himmel. Die Tage wurden kürzer. Rickys Auto parkte in der Einfahrt. Morgen würde er nach Hause kommen. Sie hatten geplant, nach einem neuen Autoradio Ausschau zu halten, das Ricky sich zu Weihnachten wünschte. Jones wusste, dass er seinen Sohn darüber hinaus kaum zu Gesicht bekommen würde. Ricky würde seine Freunde abklappern, die so wie er über Weihnachten nach Hause gekommen waren, darunter auch Charlene, seine Teilzeit-Freundin. Zur Zeit waren sie »nur Freunde«. Das Mädchen machte Jones nervös, aus vielen Gründen. Wie immer in The Hollows hatte auch hier die Vergangenheit ihre Hände im Spiel. Die Jahre hatten die Familien zusammengeschweißt, aber er wünschte sich, Ricky würde sich loseisen und nicht an die Stadt gebunden sein wie er und Maggie, die nur Jones zuliebe noch hier war.
So oder so würde er die Zeit mit Ricky genießen. Er würde mit seinem Sohn sprechen, anstatt sich in sein Schneckenhaus zurückzuziehen. Er hatte eine Liste von Fragen angefertigt, die er stellen wollte, es ging um MyFace, E-Mails, SMS und so weiter. Er würde sich nach Ricks Musikgeschmack erkundigen. Spielte er wieder in einer Band? Welche Seminare gefielen ihm an der Uni am besten? Hatte er Mädchen kennengelernt? Maggie hatte ihm geholfen, Themen zu finden. Und hör zu, wenn er erzählt. Versuche ihn nicht zu belehren, auch wenn du anderer Meinung bist.
Auf der Veranda hielt er inne, um zu den Trauertauben hinaufzuschauen. Sie saßen in ihrem Nest und starrten herunter. Eine gurrte leise und verärgert.
»Ja ja«, sagte Jones, »eine Nacht noch.«
Er ging ins Haus. Er hörte Musik, Klassik (getragen und traurig), vielleicht Chopin? Er folgte den Klängen in die Küche, wo Maggie am Herd stand. Sie kochte Lasagne, das Leibgericht ihres Sohnes.
»Mein letzter Patient hat abgesagt«, erklärte sie, als er hereinkam. »Ich dachte mir, ich koche was Schönes, wo Rick doch morgen nach Hause kommt.« Sie gab sich mit seinem Namen wirklich Mühe; ihr Sohn wollte nicht mehr »Ricky« genannt werden.
Jones trat hinter sie und umschlang sie, sog den Duft ihrer Haare ein, die nach Lavendel und Salbei rochen. Wie er so in seiner Küche stand, seine Frau umarmte, seinen Sohn erwartete, seine Berufung gefunden zu haben schien, fühlte er sich gut. Er fühlte sich lebendig und war dankbar dafür.
»Da hat noch jemand angerufen, während du unterwegs warst«, sagte Maggie. »Eloise Montgomery.«
»Oh.« Der Name ließ ihn aufhorchen.
»Sie bittet um Rückruf. Ihre genauen Worte waren: ›Würden Sie ihn bitten, mich anzurufen, wenn es ihm wichtig ist?‹«
Was hatte der Doktor gesagt? Ich frage mich nur, ob es die dunkle Seite der Arbeit ist, die Sie so anzieht, Jones. Der Therapeut hatte recht. Die dunkle Seite zog ihn tatsächlich an. Und er
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