Gnade
kümmern? Sein Plan stand fest, gleichgültig, wie die Sache in der Klinik ausging.
Selbst wenn die Polizei sie alle festnahm und sie ausplauderten, was sie wussten, würde es zu spät sein. Und falls einer oder zwei wie durch ein Wunder entkommen konnten, dann spielte auch das keine Rolle. John hatte genügend Zeit, das Konto des Sowing Clubs zu plündern und das Geld auf das Schweizer Konto zu überweisen, das er schon vor Jahren eingerichtet hatte. Wohlweislich hatte er seinen Laptop mitgenommen. Es war ihm noch immer schleierhaft, dass Dallas nicht stutzig geworden war. Er brauchte ihn nur an eine Telefonleitung anzuschließen, ein paar Dinge einzutippen, und schon war er für sein neues Leben gerüstet.
Jetzt war es wichtig, dass er sich so schnell wie möglich aus dem Staub machte. Jede Minute konnte die Polizei die Zufahrt zur Klinik sperren.
Womöglich war schon jetzt ein Streifenwagen dort postiert. John entschied, das Risiko, angehalten zu werden, lieber nicht auf sich zu nehmen. Er fuhr wieder auf den Parkplatz, wendete und rollte im Schneckentempo über die geteerte Lieferanteneinfahrt hinter dem Gebäude.
In diesem Augenblick entdeckte er Monk, der den Hügel hinaufhinkte, um zur Straße zu gelangen. Er hielt sich die Seite. Offenbar war er angeschossen worden.
John kicherte. Die Gelegenheit war einfach zu günstig, um sie ungenutzt verstreichen zu lassen. Kein Mensch war in der Nähe, niemand würde die Szene beobachten. Immerhin schuldete er Monk einen beträchtlichen Geldbetrag … Er zögerte. Tu ’s, schrie eine innere Stimme. Tu’s sofort!
Er riss das Steuerrad herum, fuhr über den Bordstein und trat auf das Gaspedal. Monk hörte ihn kommen und drehte sich um. Als er John erkannte, blieb er stehen und blickte ihm entgegen.
Er denkt, dass ich ihn auflese. John beschleunigte. Als Monk begriff, was John vorhatte, machte sich Entsetzen auf seinem Gesicht breit. Dieser Ausdruck war wirklich ungeheuer komisch.
Aber John verschätzte sich. Er nahm an, dass Monk nach links hechten würde, und änderte die Richtung entsprechend, um ihn voll zu erwischen. Aber Monk sprang genau in die andere Richtung, und der Wagen streifte ihn nur leicht.
John wagte es nicht, zurückzufahren und es noch einmal zu versuchen. »Na gut, dann eben nicht«, murmelte er. Er holperte über den Bordstein auf die Straße, nahm eine Abkürzung durch eine heruntergekommene Gegend und erreichte die Hauptstraße. Er war in Sicherheit.
Er holte sein Handy aus der Brusttasche, wählte die Nummer des Piloten, mit dem er schon seit Monaten in Verbindung stand, und wies ihn an, in fünfundvierzig Minuten auf dem kleinen Flughafen ganz in der Nähe zu erscheinen. An der Ampel bog er nach links ab und ließ New Orleans hinter sich zurück. Er würde nie wieder herkommen. Auch mit seiner neuen Identität – sein falscher Pass steckte für alle Fälle in der Tasche, in der er seinen Laptop transportierte – konnte er nie wieder einen Fuß auf amerikanischen Boden setzen.
Kein großer Verlust, dachte er bei sich. Immerhin war er im Besitz mehrerer Millionen, die ihn mit Sicherheit den Rest seines Lebens lang bei Laune halten würden. John war eigentlich keineswegs schadenfroh, aber heute gab er sich diesem Gefühl hin. Schließlich hatte er einen Mord begangen und war unbehelligt entkommen.
42
Michelle notierte noch ein paar Anweisungen auf einem Krankenblatt, dann ging sie in den Aufwachraum, um nach John Patrick zu schauen. Die Dienst habende Schwester hatte den Eltern erlaubt hineinzugehen, und Daryl und Cherry standen neben dem Bett und hielten jeweils eine Hand ihres Sohnes. Elliott stand vor der Tür – er war so durcheinander, dass er nur hin und wieder einen Blick auf seinen kleinen Bruder warf und das Zimmer dann schnell wieder verließ.
»Das Schlimmste ist vorbei«, sagte Daryl gedankenversunken. Dann blickte er Michelle an. »Sie haben heute Abend einiges durchgemacht, stimmt’s? Die Polizei hatte plötzlich die Treppe und die Aufzüge gesperrt, und da dachten wir uns schon, dass sich hier etwas Furchtbares abspielt. Aber wir hatten ja keine Ahnung, wie grauenvoll das alles war.«
»Ich bin froh, dass wir es nicht wussten«, setzte Cherry hinzu und tupfte sich die Augen.
»Wir haben die Schüsse gehört. Sie schallten durch das ganze Krankenhaus, aber eins wussten wir genau: Sie würden nicht zulassen, dass John Patrick etwas passiert.«
»Dr. Landusky bleibt heute Nacht hier«, erklärte Michelle, ohne näher
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