Gnadenlos: Auf der Flucht (German Edition)
fünf Freunde erwartet, die später heute Morgen landen sollten. Ich hatte nicht vor …« – Sag’s nicht! – »… lange allein zu bleiben. Die werden ausflippen, wenn sie ankommen und ich nicht da bin.«
Die Untertreibung des Jahrhunderts. Shelli, Sharon, Julia, Amber und Natasha würden total ausrasten. Sie hatten sie quasi mit Gewalt ins Flugzeug gesetzt, weil Acadia nicht dermaßen wagemutig sein wollte, um nach Venezuela zu fliegen. Klar, sie hatte sich widerwillig bereit erklärt, ihre Sicherheitszone zu verlassen, aber sie hatte sich eher vorgestellt, mit ihren Freundinnen nach New York zu fliegen oder vielleicht so verrückt zu sein, eine Reise nach Aruba zu machen, wo sie sich am Pool von knackigen, braun gebrannten Kellnern Cocktails mit Schirmchen bringen lassen würden.
Sharon, die kühnste von ihren Freundinnen, hatte den waghalsigen Vorschlag gemacht, nach Venezuela zu fliegen. Das Nächste, woran Acadia sich erinnerte, war, wie sie ein Vermögen für die Tickets ausgegeben und den Reiseplan der durchorganisierten Julia akzeptiert hatte. Noch bevor sie gestern früh ihre nagelneuen, wasserfesten High-tech-Wanderstiefel auf den Boden von Caracas gesetzt hatte, wusste sie, dass sie eine Midlife-irgendwas-Crisis hatte und bis zum Hals mittendrin steckte. Aber zu diesem Zeitpunkt war es zu spät, die Flatter zu machen und umzukehren.
Zak zuckte mit den Achseln, und aus den Augenwinkeln sah sie, wie sich seine kraftvollen Schultern bewegten. »Deine Freunde werden zwei und zwei zusammenzählen und zur Polizei gehen.«
Nett von ihm, dass er halbwegs zuversichtlich klang, aber Acadia war sich ziemlich sicher, dass das nichts bringen würde. Die Polizei in Venezuela war ungefähr genauso korrupt wie die Massen von Entführern im Land. Sie würden zur amerikanischen Botschaft gehen, in der Hoffnung, dass ihnen dort jemand helfen konnte. Dann würden ihnen das Geld und die Optionen ausgehen, sie würden nach Hause zurückkehren und sehen, was sie von dort aus tun konnten.
Sie verfiel in Schweigen und konzentrierte sich nur darauf, im kniehohen Gras einen Fuß vor den anderen zu setzen. Als es heißer wurde, stieg die Feuchtigkeit von den Blättern als dampfender Treibhausnebel auf, der sich in ihren Lungen festsetzte und Schweiß über ihr Gesicht rinnen ließ. Sie suchte in einer der Außentaschen ihrer Hose herum, sah rasch nach, wo sich die Wächter befanden – Zak begegnete ihrem Blick und veränderte leicht seine Position, um sie vor Blicken abzuschirmen –, und zog unauffällig ein flaches Päckchen feuchte Tücher heraus.
»Danke«, murmelte sie. Sie zupfte ein Tuch aus der Packung, klebte vorsichtig den Verschluss wieder zu und steckte es wieder in die Geheimtasche, und während ihre Gedanken wieder zu ihren Freunden schweiften, wischte sie sich Gesicht und Hals ab. Sie würden sich die Schuld geben, das wusste sie. Als Erstes würden sie zur Polizei gehen. Dann würden sie durchdrehen. Natashas Vater hatte mit Acadias Dad in Fort Riley gedient. Wenn Natasha klar wurde, dass ihre Freundin spurlos verschwunden war, würde sie die Kavallerie rufen. Im wahrsten Sinne des Wortes.
»Vielleicht denken sie, du wärst mit einem Einheimischen durchgebrannt«, bemerkte Zak nach viel zu langem Schweigen.
Acadia musste ein Lachen unterdrücken. »Nicht in einer Million Jahren.« Es würde ihnen nicht mal in den Sinn kommen, dass sie ein wildes Abenteuer mit einem gut aussehenden Latino haben könnte. Mit fremden Männern mitzugehen sah Acadia Alyssa Gray überhaupt nicht ähnlich. Sie war die Art von Freundin, bei der man am Freitagabend getrost seine Kinder lassen konnte. Sie war berechenbar, verlässlich und, so ungern sie es zugab, ziemlich langweilig.
»Was ja nicht so weit weg von der Wahrheit ist«, korrigierte er, was sie ungemein ärgerte.
»Du brauchst deswegen nicht so überheblich zu klingen«, entgegnete sie gereizt. »Ich habe den Tag nicht gerade rot im Kalender angestrichen.«
»Nicht? Du schleppst also ständig Männer in Bars ab?«
»Ist das nicht so, als würde man jemanden fragen, ob er aufgehört hat, seine Frau zu schlagen?«
Er kicherte.
Auch Gideon ließ ein gedämpftes Prusten erklingen. Sein weißes T-Shirt hatte Schweißflecken und war ganz grün von den Blättern, durch die sie sich ständig kämpfen mussten.
»Schön, freut mich, dass ich euch zum Lachen bringe, Jungs.« Sie tupfte sich mit dem mittlerweile warmen, feuchten Tuch die heißen Wangen ab. Das sanfte
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