Gnadenlos: Auf der Flucht (German Edition)
nicht gerade so ansah, als wünschte er sie weit weg. Ein Wunsch, den sie teilten. Seine Wimpern waren dunkel und seine Augen von einem grüblerischen Haselnussbraun, mal grün, mal gelbbraun, das das Licht schluckte und unfreundlich wirkte.
Sein einst akkurat gebügeltes Hemd zierten Schweißflecken, und er hatte sich als Erleichterung gegen die unerbittliche Schwüle die Ärmel bis über die muskulösen Unterarme hochgekrempelt.
Durch den Einfall des Sonnenlichts durch die Bäume bemerkte Acadia eine haarfeine Narbe oberhalb seines Mundwinkels und eine andere weiter oben auf seiner rechten Wange. Von der Platzwunde über dem rechten Augen würde er zweifellos eine weitere Narbe davontragen. Wenn er noch so lange lebte, bis die Wunde verheilt war.
»Was denn jetzt? Candy oder …?«
»Du hast mir offensichtlich nicht zugehört.« Ein paar ihrer Freunde nannten sie gelegentlich Cady. Aber nicht sehr oft. Sie war nicht der Typ für Spitznamen. Am Abend zuvor in der Bar hatte sich der Kosename gut angehört. Aber sie brauchte sich eigentlich nicht ins Gedächtnis zu rufen, dass er bei aller Fantasie kein Freund war.
»Gestern Nacht wusstest du nicht mal mehr deinen eigenen Namen, als wir praktisch schon auf der Treppe und im Flur Sex hatten, und …« Sie hörte abrupt auf zu reden und sog die heiße, feuchte Luft ein. Er war dabei gewesen. Sie brauchte das Geschehen nicht verbal wiederaufleben zu lassen. Außerdem war sein Bruder keinen Meter entfernt und hörte zu. Sie wurde wieder rot, trotz der Hitze.
»Ich heiße«, erinnerte sie ihn und rang um überlegene Gelassenheit, »Acadia Gray.«
Sie konnte ihn selbst durch den schweren, feuchten Duft des Dschungels hindurch riechen. Heiß, verschwitzt und männlich. Er roch nicht unangenehm wie die Soldaten. Sein Geruch war sauber und erdig und brachte die lebhaftesten Erinnerungen an jede Stelle seines Körpers zurück, die sie vergangene Nacht geküsst und gekostet hatte … Ihr Herzschlag wurde schneller, und all ihre weiblichen Antennen schienen auf ihn gerichtet zu sein.
Sie wedelte mit ihren gefesselten Händen vor ihrem Gesicht herum und versuchte, vor Zak zu gehen. Es spendete ihr ein wenig Trost, zwischen zwei großen, starken Kerlen zu laufen.
Nadelkopfgroße schwarze Käfer schwebten in trägen Kreisen direkt vor ihrer Nase umher. Wenn sie jetzt ihr Insektenspray herausholte, würde womöglich ihre Ausrüstung konfisziert oder, noch schlimmer, sie einer gründlicheren Durchsuchung unterzogen werden. Ein großes rot-grün gestreiftes Blatt schnellte ihr in den Weg, und sie schob es mit dem Knie beiseite, dann kratzte sie sich an der Wange, als sie etwas biss.
»Du siehst nicht gerade wie jemand aus, der einen Base-Jump vom Salto Ángel macht«, stellte Zak fest und klang gereizt, als sei ihre Anwesenheit ein persönlicher Affront gegen ihn. »Was zum Teufel machst du in Venezuela?«
Acadia nahm die Anspielung darauf, dass sie nicht der kühne, wagemutige Typ war, verärgert zur Kenntnis. »Der Schein kann trügen«, sagte sie spöttisch zu ihm und hoffte inständig, dass sie nicht lügen würde, da entschlüpfte ihr schon: »Was sollte ich denn sonst hier tun?« Verdammt, die Nerven.
»Du hattest vor, den Wasserfall herunterzuspringen?« Er klang beleidigend ungläubig, aber sie sah sich nicht nach seinem Gesichtsausdruck um.
»Ich habe auf meinen Führer gewartet. Er sollte mich vormittags abholen. Wahrscheinlich jetzt.« Mist! Sie wünschte, sie würde damit aufhören. Es war ein lächerlicher Verteidigungsmechanismus, von dem sie gehofft hatte, ihn abgeschüttelt zu haben, seit sie ein unsicheres Kind gewesen war. Offensichtlich nicht. Zakary Stark brachte ihre schlimmsten Seiten zutage. Was verdammt ungünstig war, da sie auf ihn angewiesen war, solange das hier dauerte.
»Wirklich? Venezuela ist ein ziemlich gefährliches Land für eine allein reisende Frau.«
»Da bist du aber nicht sehr aufgeklärt. Ist Venezuela für einen allein reisenden Mann nicht genauso gefährlich?« Nach den Narben an seinem Körper zu urteilen war er schon an einigen sehr gefährlichen Orten gewesen.
»Ja, das ist es. Und soweit ich mich erinnere, bin ich nicht allein gekommen.« Die Hitze stieg ihr in die Wange, als sie den Doppelsinn seiner Aussage bemerkte. Doch er ersparte ihr die Peinlichkeit, nach einer Erwiderung zu ringen, indem er hinzufügte: »Wie es der Zufall will, bin ich mit meinem Bruder hergekommen.«
Sie räusperte sich. »Na ja, ich habe noch
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