Gnosis
der mit ihm auf die Bühne gekommen war. Instinktiv konzentrierte Valentinus sich darauf, Elijahs Begleiter außer Gefecht zu setzen. Da brach der hagere Kerl auch schon zusammen und ging zu Boden.
Valentinus machte sich über Elijah her, er hieb auf seinen Schutzschild ein. Und dann merkte er, dass Elijah sich zurückhielt. Der Archon stand nur wenige Schritte vor ihm, doch seine Aufmerksamkeit galt keineswegs Valentinus.
Sie galt Winter.
Der Archon war gekommen, um sie zu retten. Heiliger Zorn brandete in ihm auf, und er griff an. Valentinus’ Kopf flog in den Nacken, und er schmeckte Blut.
Der Schmerz überraschte Valentinus jedoch nicht so sehr wie der grelle Blitz, der in ihm aufflammte, als ihn die Faust traf. Die Kraft hinter Elijahs Schutzschild war unglaublich. So etwas hatte er noch nie erlebt.
Valentinus machte einen Satz, packte Elijahs Kopf mit beiden Händen und versuchte, sich in seinen Geist zu drängen.
Er saugte die Emotionen in sich auf, und Farben flammten in seinem Hirn auf wie eine Supernova. Doch Elijah musste alles noch intensiver empfinden.
Elijah stieß einen Schrei aus, der von unerträglichem Schmerz zeugte. Dann begriff Valentinus – die Emotionen würden den Archon töten, und sein Verstand würde sich schälen lassen wie eine Zwiebel.
Valentinus packte noch fester zu und sendete allen Schmerz und Hass und alle Gewalt an seine Killer aus.
Obwohl Solothurn schon auf ihn zuging, war er nicht sicher, ob er seinen Freund tatsächlich töten konnte – ganz zu schweigen davon, ob er in der Lage sein würde, dem Mann hinter der stählernen Tür etwas anzutun. Solothurn war bereit, für Valentinus’ Überzeugungen zu sterben. Aber Pius zu ermorden …
Die ganze Welt würde von Altishofen für einen Verbrecher halten. Und sein Vater und sein Großvater, die beide über ein halbes Jahrhundert in der Schweizergarde gedient hatten, würden die Schande nicht überleben. Konnte er so etwas wirklich tun?
Zum ersten Mal seit seiner Begegnung mit Valentinus kam Solothurns Entschlossenheit ins Wanken. Was war, wenn sich Valentinus irrte? Und selbst wenn nicht – war das der richtige Weg? Er ging langsamer, wünschte, er hätte mehr Zeit, darüber nachzudenken, was Valentinus von ihm verlangte. Aber er hatte keine Zeit. In zwei Minuten musste Pius tot sein.
Er …
Solothurn holte tief Luft, als ihn mit einem Mal mörderischer Zorn überkam und sich alle Muskeln anspannten. Von einem Moment auf den anderen war jeder Zweifel vergessen. Er langte nach dem Griff seiner Glock. Doch er ließ die Waffe wieder los – sie war nicht erbarmungslos genug.
Er packte die schwere Hellebarde mit beiden Händen. Solothurn wartete bis zum allerletzten Augenblick. Er näherte sich seinem Kameraden bis auf einen Meter, bevor er mit der Axt ausholte und sie dem Mann in die Schulter schlug.
Mäders Miene verzerrte sich, als ihn die Klinge traf. Instinktiv wollte der Soldat mit seiner Hellebarde ausholen, doch Solothurn war zu schnell und trat ihm die Waffe aus der Hand. Er riss das Beil aus Mäders blutender Schulter.
Sein Zorn war überwältigend, als er mit der Hellebarde zustieß. Der lange Dolch an der Spitze bohrte sich in Mäders Kehle und erstickte seinen Schrei. Solothurn drehte die Hellebarde und riss sie heraus. Blut pulsierte aus Mäders Halsschlagader, als der massige Soldat in sich zusammenbrach.
Solothurn Pfyffer von Altishofen stieg über den zuckenden Leib hinweg und trat die Tür auf.
Für Papst Pius XIII. kam die Zeit zu sterben.
KAPITEL 26
31. DEZEMBER 2007 – 23:58 UHR (2 MINUTEN BIS ZUR NACHT DES JÜNGSTEN GERICHTS)
Hoch über den Straßen von Manhattan gingen bei den 533 Basisstationen innerhalb von 2,7 Sekunden insgesamt 40.072.451 Anrufe ein. Der erste Sendemast wurde 0,3 Sekunden später automatisch heruntergefahren. Die anderen taten es ihm gleich.
Zehn Sekunden vergingen.
Dann ging einer nach dem anderen wieder in Betrieb.
Winter rappelte sich hoch und versuchte, sich zu erinnern, was geschehen war. Gerade hatte sie sich noch auf Valentinus stürzen wollen, als …
Er hat mich missbraucht, er hat mich manipuliert …
Mein Gott!
Sie sah die Menschenmenge und konnte die grauenvollen Klänge nicht deuten, die sie hörte.
Sie bringen sich gegenseitig um. Was habe ich getan?
Sie stieß einen Schrei aus, doch er ging in dem Lärm unter. Schwankend stand sie da und versuchte, sich zu erinnern, wie es so weit kommen konnte. Welche Emotionen hatte Valentinus
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