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Gnosis

Gnosis

Titel: Gnosis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Fawer
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die psychisch Schwachen, die Betrunkenen, die Bekifften und Verirrten. Sie alle konnten ihn hören, den Aufschrei der Gnostiker, so gewaltig, dass er durch ihre Köpfe kreischte und nach außen drang.
    Der lauteste Beifall, den Winter je bekommen hatte, war gar nichts gegen das, was nun geschah. Es war, als blökten in ihrem Kopf alle Schafe in Valentinus’ Herde gleichzeitig. Wären sie nüchtern gewesen, hätte Winter die geballten Emotionen vielleicht verarbeiten können. Aber so – um ein Vielfaches verstärkt durch Kokain und LSD – waren sie zu stark.
    Und außerdem waren da nicht nur Valentinus’ Jünger. Winter vernahm das sorgenvolle Adagio der Polizisten, kampfbereit, ostinato. Die Bibeltreuen waren völlig verängstigt, und die Betrunkenen dümpelten in einer Art emotionalem Sumpf vor sich hin, ihre Empfindungen überall und nirgends, verwirrt, erregt, verschreckt, glücklich, traurig, wütend – wie ein gigantisches Orchester, in dem jeder etwas anderes spielte.
    Winter sah, wie einige Polizisten versuchten, sich Zugang zur Bühne zu verschaffen, doch sie gab den anderen Polizisten ein Allegro ein, sodass sie sich ihren Kollegen in den Weg stellten.
    «Meine Jünger wissen, was ich plane», sagte Valentinus.
    Er strahlte heitere Zuversicht aus.
    «Bald werdet ihr alle begreifen, was ich uns allen schenken möchte.»
    Valentinus sah sich die Menschen an. Er holte tief Luft, und das Lied der Menge wurde lauter. Es war, als atmete er ihre Empfindungen ein. Es war, als blickte er jeden Einzelnen an.
    «Nur kann es großen Triumph nie ohne große Opfer geben.» Winter übertrug Valentinus’ eiserne Entschlossenheit auf die Menge. «Es ist an der Zeit, dass meine Jünger die Gnosis erlangen.»
    Trotz der Begeisterung war es auf dem Times Square praktisch still, weil alle darauf warteten, was Valentinus als Nächstes sagen würde. Winter spürte seine freudige Erwartung.
    «Stellt euch einander gegenüber …»
    Die Spannung wuchs. Überschäumende Lust ergriff die Menschen. Trotz der Kälte war Winter schweißgebadet.
    «… seht euch in die Augen! Dann …»
    Ihre Haut prickelte am ganzen Leib. Wilde Emotionen kochten in der erhitzten Menge hoch, als Valentinus seine letzten Worte sprach.

KAPITEL 25
31. DEZEMBER 2007 – 23:56 UHR (4 MINUTEN BIS ZUR NACHT DES JÜNGSTEN GERICHTS)
     
     
    Elijah starrte seinen Vetter an. Er nahm das Gedränge gar nicht wahr. «Wie …?»
    «Ich hatte so ein komisches Gefühl, dass du bestimmt in Schwierigkeiten steckst. Familienbande lassen sich mit deiner Kette wohl nicht kappen. Alles okay?»
    «J-j-ja», sagte Elijah. Er starrte auf seine Hand herunter, die sich immer noch an Stevie festhielt. Stevies kühle, ruhige Hand. «Ich danke dir.»
    «Ja, na ja … nicht der Rede wert.»
    Elijah drehte sich zur Bühne um. Da sah er sie. Winter hielt Valentinus bei den Händen und blickte ihm tief in die Augen. Eifersucht flammte in ihm auf – und Sorge. Er spürte Stevies Unruhe, als der begriff, was in Elijah vor sich ging.
    «Wir müssen zu ihr!», rief Elijah und deutete zur Bühne.
    «Ich darf vorangehen …?»
    Grimes stürzte sich in die Menge, grob rempelte er die Leute beiseite. Elijah folgte ihm, ohne Stevies Hand loszulassen. Plötzlich spürte er einen heftigen Druck: Während Valentinus zu den Leuten sprach, sendete Winter Emotionen aus.
    Obwohl er seine Kette trug, sah er prächtige Farben vor seinem inneren Auge, eine intensiver als die andere. Es war, als würde sein Geist zerquetscht und seine Seele erdrückt. Und dann plötzlich beruhigte sich die Menge, und er hörte Valentinus’ Kommando.
    «Tötet sie! Tötet sie und befreit euch selbst!»
    Einen Moment lang rührte sich niemand. Dann brach die Hölle los, als die Leute wie eine Meute wilder Hunde übereinander herfielen.
    Zwei kahle Meister-Proper-Klone gingen einander an die Kehle. Eine Frau schlug ihrem Mann, der aussah wie William Shatner, eine Bierflasche ins Gesicht. Mehrere Polizisten holten mit ihren Knüppeln aus und schlugen sie sich gegenseitig an die Schädel.
    In diesem Augenblick drückte jemand Elijah die Kehle zu. Eine Faust boxte ihm in die Nieren. Ihm blieb die Luft weg. Er hielt noch Stevies Hand, während er versuchte, sich zu befreien. Instinktiv schlug er den Angreifer ins Gesicht und projizierte markerschütterndes Entsetzen.
    Augenblicklich ließ der Arm locker, und Elijah stieß den Mann zurück in die Menge, wo ein ältlicher Gary Busey und eine minderjährige Tara Reid

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