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Gnosis

Gnosis

Titel: Gnosis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Fawer
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hatte, wünschte er allerdings, hinter seiner Schöpfung stünde irgendein edler Grund. Falls man ihn schnappte, würden sie ihm die entscheidende Frage stellen: Warum?
    Warum nicht?
    Genau. Unwillkürlich zuckten Grimes’ Mundwinkel. Warum nicht? Mann, das würde die Massen so richtig in Wallung bringen. Falls alles funktionierte (und es gab keinen Grund, daran zu zweifeln, nachdem achtzehn Simulationen dasselbe Ergebnis gebracht hatten), würden die Leute bei einer solchen Antwort schier ausflippen.
    Und genau das wollte er: dass die Leute sauer wurden.
    Grimes wusste gar nicht, wieso es ihm solchen Spaß machte, aber so war es eben. Die Vorstellung, dass Tausende Computerfreaks sich die Haare rauften, um das Problem zu klären, das er ausgelöst hatte … besser als Gruppensex mit Anfassen.
    Er lehnte sich auf seinem Aeron-Stuhl zurück und spielte gedankenverloren mit einem Weingummiwurm herum. Nachdem er ihm den Kopf abgebissen hatte, nuckelte er an dem Gummileib und starrte aus dem Fenster. Der blaue Himmel schien über den Fluten zu flimmern.
    Ursprünglich hatte er gedacht, es wäre das perfekte Leben, sich im reifen Alter von siebenundzwanzig in Mexiko zur Ruhe zu setzen. Aber nach ein paar Wochen wurde es schon nervig. Er sprach kein Spanisch, jeden Morgen verkatert aufzuwachen war gar nicht so toll, und seine helle Haut versengte, wenn er sich nicht mit Sonnenschutzfaktor 45 einschmierte.
    Im zweiten Monat verbrachte er die meiste Zeit im Dorfkino. Nachdem er allerdings siebenunddreißig Mal GoodFellas gesehen hatte, war ihm klar, dass er sich doch noch nicht zur Ruhe setzen wollte. Am liebsten wollte er gleich wieder voll einsteigen, sich einloggen und der Welt den Rücken kehren. Und so beendete er sein selbst erwähltes Exil vom Cyberspace und kehrte voller Tatendrang zurück.
    Mann! Es tat gut, nach Hause zu kommen!
    Grimes war erheblich glücklicher damit, dem Leben zuzusehen, als das Leben zu leben. Nach sieben Jahren als professioneller Voyeur für die NSA, die Nationale Sicherheitsbehörde, konnte er seine Gewohnheiten nicht so einfach abschütteln. Es fehlte ihm, Leute zu bespitzeln, ihre kleinen Geheimnisse aufzudecken, in ihrer Vergangenheit zu wühlen. Nur dieser Verwaltungsscheiß gefiel ihm nicht. Und natürlich diese Arschgeigen, die seine Vorgesetzten waren.
    Also erfand Grimes seinen Job ganz neu – vorgesetztenfrei. Er ging in ein Internetcafe und suchte sich sein Lieblingssystem aus – Alienware ALX Area 51, erweitert um 1 GB Dual Channel DDR2 PC-6400 SDRAM mit 800MHz und 148 GB Festplatte mit 10.000 U/min SATA RAID 0 und 16 MB Cache. Himmelarsch, er liebte diesen ALX! Es dauerte nicht lange, bis er sich in das Hintertürchen hacken konnte, das er im Mainframe der NSA hinterlassen hatte. Schon nahm er seine Beobachtungen wieder auf.
    Nur war es so nicht mehr dasselbe. Bei der NSA hatte er immer eine Aufgabe gehabt, ein Ziel vor Augen. Wahllos irgendwelche Handytelefonate zu belauschen und persönliche E-Mails von Vorstandsvorsitzenden zu lesen war einfach nicht so spannend. Er überlegte, ob er Leute erpressen sollte, aber er hatte genug Geld.
    Also fing er an, sich in Chatrooms umzutun. In einem davon lernte Grimes (oder Scythe2112, wie er sich nannte) einen deutschen Teenager namens Stefan Artz (alias The-Mad-Kraut) kennen. Wie viele technisch versierte Kids in seinem Alter wollte auch der Kraut ein Hacker werden. Und «ein bisschen Chaos verbreiten».
    Da wurde die Sache interessant.
    Plötzlich war Grimes Sinn und Zweck seines Daseins klar – den ultimativen Computervirus zu programmieren: abschicken, zurücklehnen und sich am allgemeinen Zorn ergötzen. Also machte er sich daran, alles zu lesen, was er über Viren finden konnte.
    Es überraschte ihn nicht, dass ein Teenager den ersten echten Computervirus programmiert hatte. Er war fünfzehn Jahre alt und hieß Richard Skrenta. 1982 schrieb er ein simples Programm, welches das Betriebssystem von jedem Apple II infizierte, mit dem es in Berührung kam. Im Gegensatz zu seinen Nachkommen verursachte Skrentas Virus – bekannt als Elk Cloner – keinen echten Schaden. Sinn und Zweck war einzig und allein, User zu nerven, indem bei jedem fünfzigsten Hochfahren des Systems ein Gedicht erschien:
     
    ll get on all your disks
    It will infiltrate your chips
    Yes it’s a Cloner!
     
    ll will stick to you like glue
    It will modify RAM too
    Send in the Cloner!
     
    Nicht zu fassen, dass dieses dämliche Gedicht Skrentas Vermächtnis sein

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