Gnosis
sollte.
Die Urheber des ersten PC-Virus von 1986 waren auch nicht viel besser. Es waren zwei pakistanische Brüder, Basit und Amjad Farooq Alvi, die einen Laden namens Brain Computer Services betrieben. Um der Piraterie entgegenzuwirken, programmierten sie einen Virus, der einen Copyright-Hinweis – ©Brain – im Verzeichnis jeder Bootleg-Kopie ihrer Software hinterließ.
The Brain war eher harmlos, schuf aber die Basis für eine ganze Flut bösartiger Viren, weil er der erste einer neuen Art war – ein «Stealth-Virus», der seine Anwesenheit verbarg, indem er den Zugang zur Festplatte verweigerte und den User mit Fehlinformationen verwirrte. Nachdem die Hacker diesen Dämon entdeckt hatten, der sich von allein vermehrte, machten sie sich daran, die nächste Generation zu entwickeln.
Zwar gaben Softwarefirmen Virenschutzprogramme heraus, doch die Programmierer stellten sich auch darauf ein und schufen Viren, die immer schwerer zu erkennen und zu vernichten waren. Cascade, der erste verschlüsselte Virus, kam aus Deutschland und änderte seinen Code mit jeder Infektion. Nachahmer wie Lehigh, Miami (South African Friday the 13th) und Jerusalem tauchten auf.
Dann kam 1989 Dark Avenger in Umlauf. Es war der erste «Slow Infector», der das System über einen langen Zeitraum hinweg infiltrierte und auf diese Weise vor seiner Entdeckung maximalen Schaden anrichtete. Kurz darauf wurde der erste Time Bomb -Virus in Israel vorgestellt. Am 22. September fielen die Rechner aus, die der von Tolkien inspirierte Frodo befallen hatte.
Als Nächstes entwickelten Hacker polymorphe Viren, die zufallsgenerierte Entschlüsselungsabläufe initiierten. Diese änderten sich jedes Mal, wenn der Virus ein neues Programm befallen hatte. Dann entwickelten sie Makroviren, indem sie die interne Sprache von Microsoft Office verwendeten, um Festplatten zu überschreiben.
Da immer mehr Leute E-Mails schrieben, hatten die Hacker leichtes Spiel. 1999 ließen sie Melissa auf die Menschheit los, der Word-Dokumente an sämtliche Kontakte verschickte, die in Outlook aufgeführt waren. Dann kam 2000 der I Love You- Virus, der Computern den Auftrag gab, E-Mails mit allen Usernamen und Passwörtern an den Virenerfinder zu senden – einen minderjährigen Filipino, der später freigelassen wurde, weil es auf den Philippinen kein Gesetz gegen die Verbreitung von Computerviren gab.
Während der folgenden Jahre nahm die Bekämpfung zu – die Europäische Union verabschiedete die Konvention gegen Datennetzkriminalität, das FBI rief die Cybercrimes Division ins Leben. Dennoch tauchten jeden Monat neue Viren auf, mit Namen wie Code Red, The Klez Worm, Mimda, Sobig, Slammer, Scalper, Fizzer und Grimes’ absoluter Liebling: Trojan.Xombe.
Nachdem Grimes alles in sich aufgesogen hatte, was es über Viren zu wissen gab, ging er The-Mad-Kraut zur Hand. Er versuchte, dem Jungen die Lücken in Windows XP zu zeigen, aber der Bengel wollte nicht programmieren, sondern nur einen Virus loslassen. Dabei war ihm Grimes nur allzu gern behilflich.
In den folgenden Wochen programmierte er einen eleganten Wurm, der sich in die deutsche Homepage von Yahoo! einnistete. Der Wurm lud sich auf jeden Computer herunter, der auf diese Seite ging. Es war einfach genial. War der Download abgeschlossen, startete der Computer jedes Mal neu, sobald der User einen Browser öffnete.
Das einzige Problem bei diesem Virus war nur, dass er eine unübersehbare Spur zurückließ. Aber das war Grimes egal, denn er war schließlich nicht derjenige, der ihn auf die Menschheit loslassen würde. Also gab er den Virus über ein Bulletin Board an The-Mad-Kraut weiter.
Am ersten Tag befiel Anarchie-Maschine mehr als zwanzig Millionen Computer in neunzehn Ländern. Bis Yahoo! ein Patch gepostet hatte, mit dem man den Virus löschen konnte, war es bereits zu spät: Wer vom Virus befallen war, konnte nicht auf die Yahoo!- Seite kommen, weil sein Computer jedes Mal neu hochfuhr, wenn er einen Browser öffnete.
Angesichts bevorstehender schlechter PR und Hunderter Prozesse blieb Yahoo! nichts anderes übrig, als jedem zweiten deutschen PC-User per Post eine CD mit dem Gegenmittel zu schicken. Stefan Artz hatte Pech, dass die Polizei vor seiner Tür stand, bevor sein Traum von der Anarchie auch nur einen Tag alt war.
Stefan gestand sofort und sagte, Scythe2112 sei der wahre Schuldige. Doch die Behörden fanden keinerlei Spuren von Scythe2112, da sich Grimes sowohl in Stefans Computer als auch in
Weitere Kostenlose Bücher