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Gnosis

Gnosis

Titel: Gnosis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Fawer
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Erinnerung ausgelöscht und meinen Namen geändert hat oder dass du … das alles durcheinanderbringst?»
    «Okay, Schlaumeier. Erklär mir, wieso deine Eltern den Kontakt zur Familie abgebrochen haben. Und wieso sollte dein Vater seinen Job an der Wall Street kündigen, um nach Cairo zu ziehen?»
    Elijah öffnete den Mund, um zu antworten, merkte aber, dass er keine Antwort wusste. Er hatte keine Ahnung, wieso seine Familie umgezogen war. Er erinnerte sich, wie sein Vater monatelang unruhig im Haus auf und ab ging, nachdem sie aus Brooklyn weggezogen waren, und dass er darauf bestanden hatte, ihn jeden Tag zur Schule zu bringen und auch wieder abzuholen. Und seine Mutter sah sich ständig um und erschrak beim leisesten Geräusch.
    Wenn Elijah fragte, warum er nicht Tante Sally und Onkel Miles oder Grandma oder seinen verrückten Vetter Stevie anrufen durfte …
    «Lass mich raten: Du kannst dich nicht erinnern, oder?»
    «Nein», sagte Elijah und wunderte sich, wieso ihm diese Gedächtnislücke vorher nie aufgefallen war. «Ich kann mich nicht erinnern.»
    Grimes ging in die Hocke und tat, als würde er einen Basketball werfen. Er zeichnete die imaginäre Flugbahn nach, dann hielt er den Ball hoch. «Volltreffer.»
    Elijah stand auf und trat an das Panoramafenster. Er betrachtete die roten und weißen Lichter der Autos, die sich in beiden Richtungen über den Broadway drängelten. Er ging einen Schritt zurück und sah sein schemenhaftes Spiegelbild, die nackte Stelle, wo sonst das Silberkreuz gewesen war.
    Er berührte die Stelle mit dem Finger, dann drehte er sich um. «Ich muss dich was fragen: Damals, in der achten Klasse – habe ich da ein silbernes Kreuz getragen?»
    «Du warst Jude. »
    «Halbjude», korrigierte Elijah.
    Da sich seine Eltern nie einigen konnten, wie sie ihn aufziehen wollten, war Elijah sowohl zur Kirche als auch in die örtliche Synagoge gegangen. Er hatte immer das Gefühl gehabt, er hätte das Schlimmste beider Welten abbekommen – doppelt so viele Gebete, doppelt große Schuld –, außer im Dezember, wenn er doppelt Geschenke bekam.
    Zumindest bis sie nach Cairo zogen und feststellen mussten, dass die nächste Synagoge fünfzig Kilometer weit entfernt war. Danach gewann das Christentum – seine Mutter – die Oberhand. Der Gott der Hebräer blieb zugunsten des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes auf der Strecke.
    Obwohl er sowieso nicht gläubig war. Er war nicht jüdisch, nicht christlich und glaubte ganz bestimmt nicht an den lieben Gott. Woran sollte er glauben, wenn er mit diesem unnatürlichen Einfühlungsvermögen verflucht war, aber keine Menschenseele erreichen konnte? Das war selbst für einen «gnadenreichen» Gott zu grausam.
    «Erinnerst du dich an das Kreuz oder nicht?», fragte Elijah.
    «Ich achte von Haus aus nicht auf den Schmuck von anderen Typen. Aber wenn du welchen gehabt hättest, hätte ich mich darüber lustig gemacht, und daran würde ich mich erinnern. Also muss ich leider sagen: nein. Warum?»
    «Ich habe immer ein Kreuz getragen. Heute Nachmittag wurde es mir gestohlen, und seitdem ist alles ein bisschen …»
    «Ballaballa?»
    «Genau.»
    «Vorher konntest du die Gefühle anderer Leute also nicht anzapfen?»
    «Wie kommst du darauf?»
    «Ich bin doch nicht zurückgeblieben, Mann. Ich hab mir schon gedacht, dass du die Geknechteten dieser Welt normalerweise nicht mit Schokolade fütterst. Am Anfang hab ich gedacht, mal sehen, aber als du dann bei McDoof die Nummer mit dem Synchronfuttern angefangen hast, war mir klar, dass da irgendwas faul ist.»
    Grimes kippte sein Bier und drehte sich das nächste auf. Er ließ den grünen Deckel über seine Knöchel tanzen, dann schnippte er ihn durchs Zimmer.
    «Ich schätze, so was ist dir bestimmt noch nie passiert, oder?», meinte Elijah.
    «Nein, aber ich hätte es mir gewünscht. Dann hätte ich mich in den letzten zwei Wochen nicht aus Mülltonnen ernähren müssen.»
    «Wie konnte so was überhaupt passieren?», rutschte es Elijah heraus. «Tut mir leid, ich meine …»
    «Du meinst, warum ich so dermaßen abgestürzt bin, dass ich am Ende in der U-Bahn pennen musste?»
    «Ja.»
    «Würdest du mir glauben, wenn ich dir sage, dass ich nichts dafür kann?»
    «Wohl kaum.»

KAPITEL 12
21. MAI 2007 – 1:13 UHR (224 TAGE BIS ZUR NACHT DES JÜNGSTEN GERICHTS)
     
     
    Die ganze Sache war schlichtweg aus altmodischer Langeweile entstanden. Nicht mehr und nicht weniger. Als Grimes sein Meisterstück vollendet

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