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Gnosis

Gnosis

Titel: Gnosis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Fawer
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draufkam, dass das Ganze auf meinem Mist gewachsen war, hat er mich vor die Tür gesetzt. Am liebsten hätte er mich wohl angezeigt, aber die Details hatte ich lieber für mich behalten.»
    «Clever.»
    «Ja, hab ich mir auch gedacht», sagte Grimes und riss eine 15-Dollar-Tüte Brezeln auf, in der sich mehr Luft als Kohlehydrate befanden. «Das Tragische ist, dass ich meinen letzten Virus fast fertig hatte. Er war großartig. Ich wollte ihn über Handys verbreiten. Ich hätte Geschichte geschrieben. Aber The-Mad-Kraut habe ich auch zu verdanken, dass mein Vermieter meine Wohnung abgeschlossen und alles verkauft hat, was ich an Computern besaß.»
    Grimes schüttelte den Kopf. «Gott sei Dank hatte ich noch meinen Gameboy, sonst wäre ich durchgedreht.»
    «Ein Vermieter darf doch nicht einfach deine Sachen verkaufen, weil du die Miete schuldig bleibst.»
    «Das darf er sehr wohl, wenn ein gefälschter Haftbefehl vorliegt und du als flüchtig giltst.»
    «Oh.»
    «Ja: ‹Oh.› Zusätzlich zu meinem Bankrott – nachdem die Republikaner die Gesetzeslage geändert haben – hat mir The-Mad-Kraut noch die Bullen auf den Hals gehetzt. Jetzt ist meine Sozialversicherungsnummer wie ein Peilsender, und ich kann mich bei niemandem mehr melden. Seit zwei Wochen hocke ich in der U-Bahn, um mir eine neue Existenz zusammenzubetteln.»
    Grimes kletterte auf den kleinen Tisch und breitete pathetisch die Arme aus. «Aber ich werde wie ein Phönix aus der Asche steigen.»
    «Du hast zu viele X-Men- Comics gelesen.»
    «Möglich. Und was hast du zu erzählen? Irgendwas Spannendes passiert in den letzten siebzehn Jahren? Krebsmittel erfunden? Irgendwelche Supermodels gevögelt?»
    «Nicht ganz», sagte Elijah. «Ich bin in der Marktforschung. Glass Consulting: Wir bieten Transparenz.»
    «Glass. Transparenz. Seeehr clever.»
    «Ich freue mich, dass es dir gefällt.»
    «Seid ihr diese Leute, die immer dann anrufen, wenn man gerade beim Essen ist?»
    «Nein. Meine Spezialität sind Fokusgruppen.»
    «Ein Gedankenleser.»
    «Ich bin nur intuitiv.»
    Es war der alte Spruch, den Elijah jedes Mal brachte, wenn ein Klient eine solche Bemerkung machte. Er war nicht mehr als ein Psychologe mit ausgeprägtem Einblick in die Bedürfnisse der Menschen. Elijah glaubte fest an die Wissenschaft, und alles Gerede von übersinnlicher Wahrnehmung ging ihm auf die Nerven.
    Jetzt fragte er sich, ob nicht doch etwas dran war an dieser Bemerkung. Wenn er Stevie so gegenübersaß und jede einzelne Empfindung seines Vetters spürte, konnte Elijah es nicht mehr bestreiten: Er war nicht «nur intuitiv».
    Er war viel mehr als das.
     
    Für heute hatten sie genug geredet. Stevie genehmigte sich noch eine 20-Dollar-Dose mit Erdnüssen, dann schlief er auf dem Sofa ein, ohne auch nur «Gute Nacht» gesagt zu haben.
    Und da saß Elijah nun, betrachtete den Mittelpunkt seines Universums – seinen lange verschollenen Vetter. Aber nicht Grimes war verschollen gewesen, sondern Elijah. Verschollen in Kansas, ohne Erinnerung daran, wieso sie aus Brooklyn weggezogen
    (geflohen)
    waren.
    Zum hundertsten Mal staunte Elijah über seine seltsam psychotische Verbindung zu Stevie.
    Nein, nicht psychotisch. Ein anderes Wort. Du wirst Lettermann spielen müssen, um es zu finden. Du erinnerst dich an den Lettermann? Den Worte verdrehenden Superhelden, der immer dem bösen Buchstabierer einen Strich durch die Rechnung machte?
    «Schneller als ein rollendes O. Stärker als ein stummes E. Überspringt sogar ein großes T. Es ist ein Wort. Es ist ein Plan. Es ist … Lettermann.»
    Nimm «psychotisch». Dann lass das «o» und das «t» weg. Das war’s. Da hast du es.
    Ihre Verbindung war nicht psychotisch. Sie war ganz einfach psychisch … seelisch.
    Aber wieso Stevie? Nur weil sie verwandt waren? Das ergab keinen Sinn. Zu seinen Eltern hatte er nie eine «seelische» Verbindung gehabt. Im Grunde hatte er zu ihnen überhaupt keine Verbindung gehabt. Als er aufs College ging, ließen sie sich scheiden, und er sah die beiden kaum noch. Wenn doch, war die Stimmung immer angespannt. Ihre bloße Anwesenheit bedrückte ihn.
    Bei Grimes dagegen fühlte er sich irgendwie frei, zumindest wenn sein Vetter etwas gegessen hatte. Es war, als hätte Stevies Scheißegal- Haltung auf ihn abgefärbt. Elijah sah sich kurz als lebenslanger Handlanger für die Gelüste seines Vetters. Es klang absurd … aber war es das?
    So beängstigend diese Vorstellung auch sein mochte, war es doch nicht

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