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Gods and Warriors - Die Insel der Heiligen Toten: Band 1 (German Edition)

Gods and Warriors - Die Insel der Heiligen Toten: Band 1 (German Edition)

Titel: Gods and Warriors - Die Insel der Heiligen Toten: Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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nicht stehen bleiben würden.
    An der Kurve, wo der Pfad in Richtung Tal vorsprang, hielt der Anführer inne. Den Fuß auf einen Stein gesetzt, beugte er sich vor und spähte in die Tiefe.
    Er sah nicht aus wie ein Mensch, sondern eher wie ein dunkles Ungeheuer aus Bronze. Bronzene Beinschienen umschlossen seine muskulösen Beine und ein Bronzeschutz bedeckte den kurzen schwarzen Lederschurz. Die Brustplatte bestand aus gehämmerter Bronze, die bronzenen Schulterschienen waren ausladend breit. Bis auf einen schmalen Augenschlitz war von dem Gesicht des Mannes nichts zu erkennen. Sein Gesichtsschutz umschloss Nase und Mund und reichte bis zum Hals. Der schwarz bemalte Helm mit dem bronzenen Wangenschutz bestand aus schuppenförmig angebrachten Hälften von Eberstoßzähnen. Ein Kamm aus schwarzem Rossschweif schmückte die Helmspitze. Lediglich das Haar des Mannes wirkte menschlich. Es reichte ihm bis zu den Schultern und war zu schlangenartigen Zöpfen geflochten, wie sie Krieger zu tragen pflegten. Jeder Zopf war dick genug, um einen Schwerthieb abzuwehren.
    Obwohl er wusste, dass der Mann womöglich seinen Blick spürte, starrte Hylas wie gebannt auf die Sehschlitze, hinter denen die unsichtbaren Augen die Hänge der Schlucht nach ihm absuchten.
    Langsam richtete der Mann den Blick nach oben, flussaufwärts.
    Unternimm etwas, ermahnte sich Hylas. Wenn er sich umdreht, entdeckt er dich …
    Vorsichtig löste Hylas eine Hand von dem Schössling und streckte sie nach Skiros’ Leiche im Dornengestrüpp aus. Er versetzte dem Baum einen Stoß. Die Leiche erzitterte, als missfalle es ihr, berührt zu werden.
    Der behelmte Kopf drehte sich in seine Richtung.
    Mit weit ausgestrecktem Arm versuchte es Hylas erneut. Die Leiche löste sich aus dem Geäst und kollerte, sich überschlagend, talwärts.
    »Schau mal«, sagte einer der Krieger kichernd. »Da macht sich einer davon.«
    Die anderen stimmten in das Lachen ein, nur der Anführer verzog keine Miene, sondern sah stumm zu, bis die Leiche schließlich am Fuß des Hügels aufschlug. Dann zog er sich von seinem Ausguck zurück.
    Hylas blinzelte den Schweiß aus den Augen und lauschte angestrengt, während die Schritte allmählich leiser wurden.
    Der Schößling gab unter seinem Gewicht nach, Hylas griff nach einer Baumwurzel.
    Aber er griff ins Leere.

H alb rutschend, halb fallend stürzte Hylas bis ans Flussufer. Ein Regen aus Kieselsteinen ging auf ihn nieder – aber keine Pfeile.
    Er war kopfüber in einem Ginsterbusch gelandet, rührte sich jedoch trotz der piekenden Stacheln nicht. Jäger nehmen jede Bewegung wahr. Obwohl er sich völlig zerschlagen und zerkratzt fühlte, hatte er sich wahrscheinlich keine Knochen gebrochen, auch das Amulett trug er immer noch.
    Fliegen summten, die Sonne brannte ihm auf den Rücken. Schließlich hob er den Kopf und sah sich vorsichtig um. Von den Schwarzen Kriegern war nichts zu sehen.
    Skiros lag etwas weiter oben am Hang. Genauer gesagt, das, was von ihm noch übrig war. Die ersten Geier hatten sich bereits eingefunden und kreisten gierig. Skiros hatte den Kopf verdreht, als wollte er sich alles genau ansehen.
    Sein Geist brauchte Hilfe für die Reise, aber Hylas konnte es einfach nicht riskieren, ihn zu begraben und die Bestattungsrituale durchzuführen. »Tut mir leid, Skiros«, murmelte er. »Das wäre gegen die Überlebensregel. Hilf keinem, der dir nicht helfen kann.«
    Weiden- und Esskastanienäste ragten bis weit über den Fluss und boten Hylas Deckung. Erleichtert taumelte er ins seichte Wasser, fiel auf die Knie und trank in gierigen Zügen. Er benetzte sich mit Wasser und biss die Zähne zusammen, als die eiskalten Tropfen auf seine heiße, aufgescheuerte Haut sprühten. Er erhaschte einen kurzen Blick auf sein verzerrtes Abbild im Fluss. Schmale Augen, die Lippen vor Anspannung zusammengepresst, langes, offenes Haar.
    Der Trunk tat ihm gut, zum ersten Mal seit dem Angriff konnte er wieder einen klaren Gedanken fassen. Er benötigte Nahrung, Kleider und ein Messer. Vor allen Dingen musste er auf dem schnellsten Weg ins Dorf. Issi wusste, dass sie im Dorf am sichersten sein würde, und war inzwischen bestimmt dort angekommen. Sie muss ganz einfach dort sein.
    Das Krächzen der Geier erfüllte die Schlucht. Von Skiros war unter dem dichten Schwarm nackter Hälse und staubiger Flügel nichts mehr zu sehen. Damit ihn der Geist des Toten nicht verfolgte, riss Hylas hastig ein paar Knoblauchblätter ab und streute sie hinter

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