Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Godspeed Bd. 1 - Die Reise beginnt

Godspeed Bd. 1 - Die Reise beginnt

Titel: Godspeed Bd. 1 - Die Reise beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beth Revis
Vom Netzwerk:
»Brücke« hieß. Das ist nicht viel anders als jetzt, nur dass die Namen sich geändert haben. Aber auf dem Versorgerdeck sieht es schon anders aus. Auf der linken Seite, wo sich die Stadt befindet, steht »Wohnbereich«, und der Rest des Versorgerdecks ist mit »biologische Forschung« beschriftet. Biologische Forschung? So haben die das Ziegenhüten und Schafescheren mal genannt?
    Aber was unter dem Versorgerdeck liegt, fasziniert mich wirklich. Was auf dem anderen Diagramm einfach nur ein weißer Bereich war, ist jetzt detailliert eingezeichnet. Es sieht so aus, als gäbe es wirklich noch ein Deck, das unter unseren Füßen liegt, ein Deck, von dessen Existenz ich keine Ahnung hatte, in dem es offenbar ein genetisches Forschungslabor, eine zweite Wasserpumpe, einen riesigen Bereich mit der Beschriftung »Lager – Wichtig« und einen sehr kleinen Bereich gibt, der nur als »Kühllager« bezeichnet ist.
    »Was ist das alles?«, frage ich und betrachte fasziniert den Plan. »Ich weiß, dass nach der Seuche die Decks umbenannt und einige Räume anders genutzt wurden, aber das hier hat nichts mit irgendwelchen Umräumaktionen zu tun. Da ist ein komplettes weiteres Deck!« Was ich nicht sage, ist: Wieso wusste ich nichts davon? Wieso hat es mir der Älteste nicht gesagt? Ich kenne die Antwort bereits: weil er denkt, dass ich noch nicht bereit dazu oder – noch schlimmer – nicht würdig bin, in die Geheimnisse des Schiffs eingeweiht zu werden.
    »Nach der Seuche ist sehr viel geändert worden«, sagt Orion. »Damals gab es noch kein Ältesten-System.«
    Zumindest das wusste ich bereits. Das weiß jeder. Nachdem die Seuche etwa drei Viertel der Menschen auf dem Schiff dahingerafft hat und unsere Zahl von mehr als dreitausend auf siebenhundert zusammenschrumpfen ließ, übernahm der Seuchen-Älteste das Kommando und verwandelte die damalige Bevölkerung in die friedliche, gut funktionierende Gesellschaftsform, die wir jetzt haben. In den darauffolgenden Generationen haben wir die Bevölkerung wieder auf über zweitausend anwachsen lassen, neue Techniken wie die Schwerkraftröhren erfunden und die glückliche und zufriedene Gesellschaft beibehalten, die den Vorstellungen des Seuchen-Ältesten entsprach.
    Aber ich hatte bisher nicht gewusst, wie sehr er das Schiff veränderte und was diese Veränderungen zu bedeuten haben.
    »Willst du gar nicht wissen, was da unten ist?«, fragt Orion und betrachtet das vierte Deck.
    Jetzt, wo er es anspricht – klar will ich es wissen. »Lass mich mal sehen.« Ich schiebe Orion zur Seite und tippe auf den Bildschirm. Es dauert ein paar Minuten, aber dann finde ich, was ich gesucht habe. »Sehen wir uns an, was unsere Vorfahren hier eingebaut haben«, sage ich und grinse triumphierend.
    Auf dem Schirm ist eine Blaupause aufgetaucht, aber sie ist viel komplizierter als die Lagepläne, die wir vorher gesehen haben. Ich starre auf ein Gewirr aus Linien und versuche, Rohre und Leitungen von Wänden und Türen zu unterscheiden. Das Bild ist so groß, dass ich entweder heranzoomen muss oder es im Ganzen betrachten und fast mit der Nase am Schirm kleben muss, um etwas zu erkennen.
    »Ich kapiere das nicht«, gebe ich schließlich zu und hebe entnervt die Hände.
    »Ich habe beim Fahrstuhl angefangen.« Orion scrollt die Blaupause hoch, und plötzlich erkenne ich, was sie darstellt. Das Krankenhaus. Er zeigt auf den vierten Stock. »Da ist ein zweiter Fahrstuhl.«
    »Da ist kein zweiter Fahrstuhl!«, widerspreche ich lachend. Ich war lange genug in diesem Krankenhaus und dort gibt es nur einen.
    »Am Ende des Gangs ist noch einer. Die Blaupausen lügen nicht.«
    »Aber in diesem Stock sind alle Türen abgeschlossen«, sage ich. Das weiß ich, weil ich es bei jeder einzelnen versucht habe. Und sie sind nicht mit biometrischen Scannern verriegelt – an denen käme ich mit meinem Daumenabdruck mühelos vorbei. Nein, diese Türen haben altmodische Sol-Erde-Schlösser aus Metall. Mein Freund Harley und ich haben einmal eine ganze Woche lang versucht, in eine von ihnen einzubrechen, bis Doc uns erwischt hat.
    Orion schüttelt den Kopf. »Nicht die letzte Tür. Die ist offen. Und da ist der zweite Fahrstuhl.«
    Ich lache wieder. »Das ist unmöglich. Wenn es einen geheimen Fahrstuhl gäbe, der in ein geheimes Deck führt, wüsste ich das.«
    Orion sieht mich nur an. Sein Schweigen ist fast wie ein Vorwurf: Wüsste ich das wirklich?
    Der Älteste hat schon andere Dinge vor mir verborgen.

Weitere Kostenlose Bücher