Godspeed Bd. 1 - Die Reise beginnt
Sorgen.«
Empört fahre ich hoch. Ich weiß, dass ich für den Zyklus noch nicht alt genug bin, aber ich weiß auch, dass ich mehr als fähig dazu bin. Wie kann er es wagen, anzudeuten, ich könnte das nicht? Ich bin nicht mehr das Kind, für das er mich offenbar hält!
»Konzentrier dich«, befiehlt der Älteste und schnippt vor meiner Nase mit den Fingern. »Das alles ist nicht der Punkt. Tatsache ist, dass dieses Mädchen Ärger machen wird.«
»Und was werden Sie deswegen unternehmen?«, frage ich und lasse mich wieder auf den Boden sinken.
Der Älteste mustert mich. »Du wirst der nächste Älteste sein. Was würdest du tun?«
»Nichts.« Ich recke ihm trotzig das Kinn entgegen. »Sie tut doch niemandem etwas.«
»Ein Ältester tut niemals ›nichts‹.« Er hat wieder dieses herablassende Lächeln im Gesicht, bei dem ich immer in Versuchung gerate, mitten hineinzuschlagen. Doch bevor mir eine passende Antwort einfällt, hebt der Älteste einen Finger, wendet sich ab und drückt den Knopf seiner Dra-Kom.
»Mm-hm«, sagt er. »Ich verstehe. Ja, natürlich.«
Dann dreht er sich wieder zu mir. »Ich muss ins Technikdeck. Bleib hier und lies mehr über die Anführer der Sol-Erde. Ich habe dir einen Floppy ins Lernzentrum gelegt.«
»Aber …« Der Älteste ist in letzter Zeit viel öfter auf dem Technikdeck als sonst. »Ist alles in Ordnung?«
Er mustert mich und scheint abzuwägen, ob ich würdig bin, seine Gedanken zu hören und seine Probleme zu teilen. Und ich sehe es an seinen gebeugten Schultern, den Schmerzen, die sein Bein ihm verursacht. Er spürt die Last des Schiffs genauso wie ich. Nein, er spürt sie sogar mehr. Er trägt diese Last schon viel länger als ich, und das nicht nur für sich selbst, sondern auch für den Junior vor mir, der gestorben ist und die Führung des Schiffs nicht übernehmen konnte.
Einen Moment lang sehe ich Amy mit seinen Augen. Als ein Problem.
»Wir müssen reden, wenn ich zurückkomme.« Die Stimme des Ältesten klingt ernst und unbehaglich. Er verlagert sein Gewicht, geht aber nicht auf die Luke zu.
»Worüber?«
»Der Zyklus fängt bald an …«
»Oh.« Ich weiß über die Paarungszeit Bescheid. Als ich noch auf dem Versorgerdeck gelebt habe, war es kein Problem mitzukriegen, was zwischen männlichen und weiblichen Wesen passiert. Mehrere der Frauen, bei denen ich auf dem Versorgerdeck gelebt habe, haben mir erklärt, wie die Fortpflanzung funktioniert. Damals war das ziemlich peinlich und auch ein bisschen eklig, aber sie haben mir alle versichert, dass ich bereit sein würde, wenn mein Zyklus käme, und dass eine Frau aus Harleys Generation eine zweite Paarung mit mir vollziehen würde. Seit ich Amy begegnet bin, glaube ich zu wissen, was sie damit gemeint haben, dass ich bereit sein würde.
»Während der Paarungszeit wirst du sehen, äh …« Der Älteste verstummt.
»Ich weiß, was Paarung bedeutet«, sage ich. Es ist mir genauso peinlich wie ihm. Es war schlimm genug, es damals von einer Frau zu hören, aber mit dem Ältesten darüber zu reden, ist entschieden schlimmer.
»Wir sollten trotzdem reden …« Diesmal wird der Älteste von seiner Dra-Kom unterbrochen. Er drückt den Knopf und spricht so leise, dass ich nichts verstehe.
»Hey«, sage ich. »HEY.«
Er hebt einen Finger, um mir anzuzeigen, dass ich einen Moment lang ruhig sein soll, und murmelt dann noch etwas in seine Dra-Kom.
»Hören Sie auf, mich zu ignorieren«, verlange ich energisch.
Der Älteste seufzt und beendet die Verbindung. »Ich muss gehen.«
»Wollen Sie mir nicht sagen, worum es gerade ging? Hören Sie, ich habe die Geheimnisse allmählich satt.«
»Schön«, sagt der Älteste und steuert die Luke an. »Du lernst jetzt. Wir reden, wenn ich zurück bin.« Bevor ich protestieren kann, ist er auch schon weg.
Das Medipflaster hat Wunder bewirkt, meine Kopfschmerzen sind so gut wie weg. Aber mir gefällt der Gedanke trotzdem nicht, wie leicht der Älteste so etwas noch einmal machen könnte. Vielleicht sollte ich selbst ein paar Medipflaster bei mir tragen.
Mein erster Gedanke ist, ins Krankenhaus zu gehen, wo alle Medikamente des Schiffs aufbewahrt werden. Doc hält sie unter Verschluss, aber wenn sich Orion einen Vorrat an Psycho-Pillen besorgen kann, dürfte es nicht allzu schwer für mich sein, mir ein paar Medipflaster zu organisieren. Andererseits hat mich genau das in Schwierigkeiten gebracht. Dann fällt mir das Zimmer des Ältesten ein. Ich weiß, dass er dort
Weitere Kostenlose Bücher