Godspeed Bd. 1 - Die Reise beginnt
höhnische Verachtung des Ältesten sogar durch die Metalltür. »Beim letzten Mal warst du auf seiner Seite, das brauchst du nicht zu leugnen.«
»Unerhört«, murmelt der Doktor. »… könnte man ebenso gut sagen, dass Sie es waren.«
Der Älteste schweigt.
»Nun?«, bohrt der Doktor weiter. »Junior hat mir erzählt, dass er alles über die Ursachen für Unfrieden lernt. Woher weiß ich, dass das Ganze kein widerwärtiger Test ist, mit dem Sie den Jungen auf die Probe stellen?« Irgendwas … bla bla – durch die blöde Tür ist kaum etwas zu verstehen – »… wie beim letzten Mal.«
Die Stimme des Ältesten wird noch tiefer und durchdringender. Dann höre ich nur noch ein Geraschel, und bevor ich mich bewegen kann, zischt die Tür auch schon auf. Der Doktor läuft direkt in mich hinein. Diesmal lasse ich den Becher fallen. Er rollt scheppernd über den Boden, während wir uns alle anstarren.
Der Älteste sieht finster aus. »Ich werde ein Auge auf diese … Situation haben«, sagt er und schaut dabei den Doc an. Er zieht sein Tunika-Hemd glatt und wendet sich zum Gehen. Doch dann dreht er sich noch einmal zu mir um. »Du wirst das Krankenhaus nicht verlassen. Ich habe noch nicht entschieden, was ich mit dir mache.«
»Ich bin nicht Ihre Gefangene!«, schreie ich ihn an.
»Auf diesem Schiff sind wir alle Gefangene«, sagt er und verschwindet.
»Mach dir wegen ihm keine Sorgen«, sagt der Doktor und will mir die Schulter tätscheln, doch ich schüttele seine Hand ab. »Er wird dich nicht durch eine der Außenluken entsorgen.«
So recht glaube ich das nicht.
»Ich habe dir einen Raum mit allem Nötigen zugewiesen. Du wirst hier leben, zumindest fürs Erste. Hast du irgendwelche Fragen?«
Will er wirklich so tun, als wäre nichts passiert? Als hätte ich nicht gehört, worüber sie gestritten haben? Zugegeben, das meiste konnte ich nicht verstehen, aber trotzdem habe ich genug mitbekommen.
»Was war beim letzten Mal?«, frage ich.
»Was meinst du?«, fragt der Doktor und setzt sich an seinen Schreibtisch. Er deutet auf den anderen Stuhl und ich lasse mich darauf nieder.
»Nun kommen Sie schon – was war letztes Mal?«
Der Doktor fängt an, die Stifte wieder einzusortieren, die ich auf seinen Schreibtisch gekippt habe. Der Typ ist echt besessen. Trotzdem frage ich mich, wie viel von ihm echt ist. Er ist mir gegenüber genauso ausdruckslos wie beim Ältesten. Ich bezweifle, dass er mich mag – aber er hat sich für mich eingesetzt, als der Älteste gedroht hat, mich durch die Luke ins All zu werfen. Wie der Doktor zum Ältesten steht … ich vermute, dass er ihn respektiert, vielleicht sogar fürchtet, aber er schien näher an die Tür heranzutreten, als ich versucht habe, seine Unterhaltung mit dem Ältesten zu belauschen. Hat er das mit Absicht getan? Und wartet er jetzt vielleicht darauf, dass ich die richtigen Fragen stelle? Oder mache ich mir nur etwas vor?
»In der letzten Paarungszeit«, sagt der Doktor, »hatten wir ein paar Probleme. Aber das hat nichts mit dem zu tun, was jetzt passiert ist.«
»Vielleicht doch. Woher wollen Sie das wissen?«
»Weil die Person, die die Probleme verursacht hat, tot ist«, sagt der Doktor ärgerlich. »Sonst noch Fragen?«
Vielleicht bereut er sein voreiliges Versprechen ja noch, mich nicht vom Schiff zu werfen.
»Allerdings«, sage ich aggressiv. »Wieso wurde ich zu früh aufgetaut? Was ist passiert?«
Der Doktor runzelt die Stirn. »Ich bin nicht sicher«, sagt er schließlich. »Aber es sieht so aus, als hätte dir jemand … den Stecker rausgezogen.«
»Den Stecker?«
»Die Kryostase-Kammern sind mit einer sehr einfachen elektrischen Vorrichtung verkabelt, die Temperatur und lebenserhaltende Systeme überwacht. Du wurdest einfach … von der elektrischen Einheit abgestöpselt. Abgestellt. Der Stecker wurde rausgezogen.«
»Wer hat das getan?«, frage ich hitzig und springe auf. Die Hand des Doktors zuckt und will nach dem Medipflaster auf seinem Schreibtisch greifen. Ich setze mich wieder hin, aber mein Herz rast, und ich atme flach und hektisch.
»Wir wissen es nicht. Aber wir werden es herausfinden.« Dann fügt er so leise hinzu, dass ich es fast überhöre: »Es muss jemand sein, der zugangsberechtigt ist.« Sein Blick huscht zur Tür hinter mir, und ich weiß, dass er an den Ältesten denkt. Was Unsinn ist, weil der Älteste mich erst tot sehen will, seit ich aufgetaut bin. Aber … wieso sollte mir überhaupt jemand den
Weitere Kostenlose Bücher