Godspeed Bd. 1 - Die Reise beginnt
kommt mir nicht richtig vor. Ja, klar, sechzig ist ziemlich alt … aber es ist doch nicht so, als würden die Leute ab einem gewissen Alter einfach sterben. Massenhaft Leute werden älter als sechzig. Meine Urgroßmutter ist vierundneunzig geworden.
»Was ist mit dem Jungen?«
»Welcher Junge?«, fragt der Älteste.
»Sie meint Junior.«
Der Älteste grunzt.
»Junior«, sagt der Doktor, »ist zwischen den Generationen geboren worden. Er ist sechzehn Jahre alt. Wenn der Zyklus beginnt und die junge Generation mit der Fortpflanzung beginnt, werden ihre Kinder die Generation sein, über die Junior als zukünftiger Ältester herrschen wird, sobald unser jetziger Ältester zu den Sternen gegangen ist. Der Junge, wie du ihn nennst, wird unser nächster Ältester sein.«
»Und wo ist der andere?«, frage ich.
»Der andere was?« Der Doktor wiegt seinen runden Briefbeschwerer in der Hand.
»Der andere Älteste. Da sind Sie«, sage ich zum Ältesten. »Sie sind zuständig für die Generation des Doktors. Und der Junge kriegt die nächste Generation. Aber was ist mit den Zwanzigjährigen? Wer ist für die zuständig?«
Der Doktor und der Älteste tauschen einen Blick.
»Er starb noch als Junior«, sagt der Älteste mit düsterer Miene. Ich werfe dem Doktor einen Blick zu. Er sieht niedergeschlagen und erschöpft aus.
Ich frage mich, woran dieser Junior wohl gestorben ist.
»Es ist eindeutig«, sagt der Älteste, »dass du anders bist. Falsche Erscheinung, unnatürlich jung.«
»Und?«
»Ich mag keine Andersartigkeit – die verursacht nur Unfrieden.«
Der Doktor wird ganz hektisch und fängt erneut an, die Dinge auf seinem Schreibtisch zu ordnen.
»Also, das tut mir echt leid. Aber wie Sie wissen, bin ich nicht absichtlich hier.«
»Das spielt keine Rolle. Das Einfachste wäre, dich zu den Sternen zu schicken.«
»Ältester!« Der Doktor tritt besorgt vor.
»Wie meinen Sie das?«, frage ich misstrauisch.
»Wir haben Luken, die sich in den Weltraum öffnen.«
Die Bedeutung seiner Worte sickert nur langsam zu mir durch.
»Sie wollen mich im Weltall aussetzen? Ich habe doch gar nichts getan! Ich habe mich schließlich nicht selbst aufgetaut!«
Der Älteste zuckt mit den Schultern. »Das wäre die entschieden einfachste Lösung. Zumal du ohne Bedeutung bist.«
»Das können wir nicht tun«, sagt der Doktor, und ich verzeihe ihm sofort, dass er ein so gruseliger Typ ist und mich mit seinen Drogen bedroht hat. Wenigstens will er nicht, dass ich im Weltraum implodiere.
»Nein, Doc«, bestätigt der Älteste und wirft mir einen bösen Blick zu, »aber es ist wichtig, dass sie begreift, dass wir sie jederzeit im All aussetzen können.«
»Aber wir werden es nicht tun«, sagt der Doktor energisch. »Sie kann hier auf der Station bleiben. Das hält sie von der Bevölkerung fern. Sie wird keinen Unfrieden verursachen, wenn sie hierbleibt.«
»Bist du sicher?«, fragt der Älteste zweifelnd.
»Ganz sicher. Außerdem fängt die Paarungszeit bald an. Das wird die Leute ablenken.«
Der Älteste sieht den Doktor finster an. Er hat offensichtlich etwas gesagt, was dem Alten nicht passt. »Komm mit mir nach draußen, Doc«, befiehlt er.
»Oh, wegen mir müssen Sie nicht gehen«, sage ich und lehne mich auf dem Stuhl zurück. »Sagen Sie ruhig, was Sie zu sagen haben.«
Der Älteste dreht sich zur Tür. »Doc«, sagt er befehlsgewohnt.
Hastig folgt der Doktor dem Ältesten nach draußen.
Die Tür ist kaum zugeglitten, da springe ich auch schon auf und presse das Ohr ans Metall. Nichts. Ich gehe zurück zum Schreibtisch des Doktors, kippe seine Stifte aus und drücke den Becher gegen die Tür, wie sie es immer in den alten Filmen machen. Immer noch nichts.
»… letzten Mal!«, brüllt der Älteste plötzlich so laut, dass ich beinahe den Becher fallen lasse. Wieder presse ich das Ohr an die Metalltür und lausche angespannt.
»Es ist nicht wie beim letzten Mal«, zischt der Doktor. Er muss jetzt dichter an der Tür stehen – er spricht zwar leise, aber ich kann ihn trotzdem besser hören.
Der Älteste hat seine Stimme wieder gesenkt und ich kann nur Bruchstücke erhaschen. » Sicher? Der Paarungszyklus beginnt … jemand aufgetaut – wieder – und du …«
»Sie wissen, dass er es nicht gewesen sein kann«, sagt der Doktor. »Unmöglich.«
»Was ist mit dir ?« Sein merkwürdiger Akzent macht das Lauschen nicht gerade einfacher.
»Mit mir?«, fragt der Doktor.
»Ja, mit dir.« Ich spüre die
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