Godspeed Bd. 1 - Die Reise beginnt
grüne Efeuranke rund um den Türrahmen gemalt und einen Blumenflor auf die Fußleisten. Das angrenzende Badezimmer ist kalt, was durch die weißen Fliesen und den Chrom noch verstärkt wird, aber die frischen Handtücher duften nach Lavendel.
Um wieder einen klaren Kopf zu bekommen, beschließe ich, so kalt zu duschen, wie ich es nur aushalten kann. Ich ziehe die Sachen aus, die mir der Doktor gegeben hat. Sie sind in Brauntönen gehalten, eine hellbraune Tunika und eine schokoladenbraune Hose. Ich denke, dass sie handgenäht sind. Die Nähte sind zwar gleichmäßig und sauber gearbeitet, aber sie sehen nicht maschinell gefertigt aus. Der Stoff ist schön glatt und kein bisschen kratzig. Das ist verrückt. Ich hatte eigentlich mit Raumanzügen und glänzenden Stoffen gerechnet. An dem Wochenende, bevor wir eingefroren wurden, sind Mom, Dad und ich die ganze Nacht aufgeblieben und haben uns alte Science-Fiction-Filme angesehen – Star Trek und Star Wars und Star -Irgendwas. Ich hatte mir vorgestellt, dass alle an Bord Uniformen und verrückte Frisuren tragen würden, aber stattdessen stecke ich in Klamotten, die aussehen, als stammten sie von einem Mittelaltermarkt.
Ich brauche einen Moment, um herauszufinden, wie die Dusche funktioniert. Es sind nur Knöpfe da, keine Wasserhähne, und aus dem feinen Gitter an den Seiten der Duschkabine kommt mehr Dampf als Wasser. Auf einer kleinen Ablage liegen zwei Stücke Seife. Es gibt keine Flaschen mit Shampoo oder Pflegespülung, aber als ich es ausprobiere, lassen sich meine Haare auch mit dem runden Stück Seife einschäumen.
Ich drücke auf alle möglichen Knöpfe, um richtiges Wasser zu bekommen – mit dem Dampf kann ich den Schaum nicht ausspülen. Plötzlich erwische ich den richtigen Knopf und ein Strahl kaltes Wasser schießt aus einer Düse vor meinem Gesicht. Ich schnappe nach Luft, und einen grässlichen Moment lang erinnert mich die Dusche daran, wie Ed und Hassan die Glaskiste mit der Gefrierflüssigkeit geflutet haben. Ich muss mir einreden, dass ich nicht ertrinke, dass ich die Flüssigkeit nicht einatmen muss, dass ich nicht wieder eingefroren werde. Meine Knie sind ganz weich. Ich muss mich mehrere Minuten lang gegen die Fliesen lehnen und tief Luft holen, bis ich wieder sicher stehen kann.
Nach dem Duschen gehe ich in ein Handtuch gewickelt und mit tropfenden Haaren in mein Zimmer. Es ist sehr still und irgendwie einsam. Ich muss an den Jungen denken, der hier war, als ich aufgewacht bin, Junior, und stelle verblüfft fest, dass ich ihn tatsächlich vermisse. Jetzt, wo er weg ist, komme ich mir in diesem Zimmer vor wie ein Eindringling.
Ich wickle das Handtuch fester um meinen Körper. Es gibt hier keine persönlichen Dinge, abgesehen von den Efeuranken, deren Farbe schon ein wenig abblättert. Keine Bücher, kein Fernseher. Es gibt nur einen Tisch, auf dem ein biegsames Stück Plastik liegt, das etwa so groß und dick ist wie ein Blatt Schreibpapier. Bei meiner Arbeit am Highschool-Jahrbuch habe ich die Theater-AG fotografiert. Da haben wir mit dünnen Plastikfolien gearbeitet, die über die Bühnenscheinwerfer gelegt wurden, um die Farbe der Beleuchtung zu ändern. Das Plastikding auf dem Tisch sieht genauso aus, nur farblos, und als ich es berühre, geht ein Bildschirm an und verlangt, dass ich mich anmelde. Ist das dünne Ding etwa ein Computer?
An der gegenüberliegenden Wand ist ein Regal angebracht und rechts davon befindet sich die Tür. Neben der Tür, wo normalerweise der Lichtschalter wäre, ist ein viereckiges Stück Metall mit einem kleinen Stab in einer Vertiefung angebracht. Als ich draufdrücke, beginnt der Stab, sich zu drehen.
»Identität unbekannt.« Eine blecherne Frauenstimme meldet sich. »Stimmkommando.«
»Äh«, sage ich verdutzt.
»Kommando unbekannt«, sagt die Computerstimme. »Kommando für: Licht, Tür.«
»Licht aus?«, sage ich versuchsweise.
Das Licht im Raum geht aus.
Wieder rolle ich den Finger über den Stab. »Identität unbekannt. Stimmkommando.«
»Licht an«, sage ich, und das Licht geht wieder an.
Neben dem drehbaren Stab, mit dem das Licht bedient wird, sind zwei Rechtecke aus Metall in die Wand eingelassen. Eins davon ist so groß wie ein Post-it-Zettel, das andere hat die Größe eines Briefumschlags. Beim Näherkommen bemerke ich einen kleinen Knopf unter jedem Rechteck. Ich drücke den Knopf unter dem kleineren Rechteck und das Metall verschwindet. Dahinter liegt eine Öffnung, die gerade groß
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